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Sonntag,26.02.: Nachdem ich meinen nie-vorhanden-gewesenen Rausch ausgeschlafen hatte, setzte ich mich am frühen Nachmittag in die Hostel-Lobby, schaltete mein Netbook ein (falls ihr euch wundert, dass ich das Gerät jedes Mal anders nenne, es heißt tatsächlich Netbook, nicht Laptop oder Notebook, doch ich sehe das nicht so eng) und las mir zum wiederholten Male nahezu den ganzen Wikipedia-Eintrag zu Rio de Janeiro durch. Ich bin sehr gespannt auf die Stadt der Cariocas, wie sich Rios Einwohner nennen. In einigen wenigen Stunden, um 21:50 Uhr Ortszeit, würde mein Flug starten, und meine dritte Station,das Land des Samba, des Caipirinha und der Lebensfreude rückten näher.
Leider ging meine Rechnung des Vortages nicht auf. Ich hatte sehr viel zu Abend gegessen und gehofft, dass mich dieses Mahl auch am nächsten Tag noch etwas durchbringen würde. Es trat genau das Gegenteil auf, ich verhungerte beinahe und musste mich somit an diesem Sonntag auf Nahrungssuche begeben. Etwas mehr als 150 Pesos betrug mein restlicher Geldbestand, somit kann ich mir eigentlich etwas Teureres erlauben, wenn der Bus tatsächlich nur vier Pesos kostet. Mit dem Taxi sind 170 Pesos fällig, ein viel zu hoher Preis, da gehe ich lieber gut Essen und nehme zwei Stunden Busfahrt in kauf. Da es ein Sonntag war, hatte im Umkreis von 10 Minuten Fußweg kein Supermarkt, Kiosk oder auch kein Imbiss geöffnet - bis auf McDonald's. Seit November 2011 war ich nicht mehr zum Speisen in ein solches Restaurant aller gesündester Güte eingekehrt. Für 50 Pesos kaufte ich mir drei Burger, zwei Portionen Pommes und ein Eis. Ich hatte wirklich Hunger und außerdem plötzlich einen Heißhunger auf dieses leicht matschige Zeug. Im Hostel zurück, startete ich ein Skype-Gespräch ins ferne Buchholz und verschnatterte die Zeit bis fast 18 Uhr. Dann fing ich langsam an, mir Gedanken über den Aufbruch zu machen: Wenn mein Flugzeug um 21.50 abhebt, ich zwei Stunden zuvor einchecken muss, der Bus von irgendwo hier zwei Stunden zum Flughafen braucht...dann sollte ich jetzt besser laufen!! So kam es, dass ich trotz der genauen Beschreibung des Weges und sogar einer Zeichnung auf meiner Buenos-Aires-Karte sehr blöde umherirrte. Fragte ich Passanten, von wo der Bus zum Flughafen fährt, so bekam ich jedes Mal eine andere Richtung gezeigt und folgte dieser minutenlang, bis ich mir sicher wahr, komplett falsch zu sein. Die Zeit lief mir davon und ich hatte es vor Augen, mein Emirates-Flieger am Himmel, der Pilot winkt der Stadt am Rio de La Plata ein letztes Mal, ich war aussichtslos in Buenos Aires gefangen. Nach gut einer halben Stunde der Suche, fragte ich einige Taxi-Fahrer, was mich der Genuss einer Fahrt bis zum Aiport kosten würde. Der erste nannte mir einen Preis von 200 Pesos, exklusive Zuschlag für die Autobahn. Ich zeigte ihm den Vogel und ging lachend davon, „der nächste wird mich schon etwas ernster nehmen", dachte ich. Diesmal mit einer anderen Masche. Ich schaute den Fahrer flehend und verzweifelt an, sagte ihm, ich hätte nur noch 100 Pesos übrig und müsste unbedingt zum Flughafen. Er willigte ein und fragte erst während der Fahrt in der Zentrale nach, was für diese Strecke berechnet werden müsse. Tatsächlich waren es 70 Pesos zu wenig, die ich bezahlen konnte und so schaute ich schnell in meinem Rucksack, ob ich noch einige Geldmünzen auftreiben könne. Glücklicherweise fand ich drei Euro und versicherte dem Fahrer, dass diese (in Wahrheit 15 Pesos) umgerechnet ganze 45 Pesos sind. Es hat geklappt, haha! Am Schalter der Emirates wartete ich sage und schreibe 90 Minuten in der Schlange um meinen immer schwerer werdenden Rucksack aufzugeben (in Hamburg startete ich mit 16,5 Kilo, hier waren es plötzlich 19,5 Kg) und musste anschließend mal wieder durch einen ganzen Gebäudekomplex eilen. Ein kurzer Flug von etwa zwei Stunden und leises ins Fäustchen kichern, da ich mir den Film Johnny English 2 anschaute und der Humor des Filmes grandios ist! In Rio wurde ich von Nilson und Douglas empfangen, die ein Schild mit meinem Vor- und einem veränderten Nachnamen in der Hand hielten. „Ursanki" klingt vielleicht lustig, aber nicht ganz korrekt. Nilson ist ein Padre in einer Kirche Rios, in der ich die nächsten Tage unterkommen werde. Mit ihm hatte ich das ein oder andere kleine Verständnisproblem, doch im Großen und Ganzen reichte ihm mein Spanisch und ich verstand sein Portugiesisch. Douglas war nur als Hilfe hinzugekommen und ein Freund Nilsons, mit ihm sprach ich Spanisch und erfuhr somit auf der Fahrt nach Tijuca, einem ruhigen Stadtteil, etwas mehr über Brasilien und seine Menschen. Der Kontakt wurde über zwei Ecken hergestellt. Mein ehemaliger brasilianischer Grundschullehrer (Hallo Jac) gab mir die Kontaktdaten eines Freundes, dieser wiederum ist der Superior in der Kirche und beauftragte Nilson, den mit 41 Jahren jüngsten Padre im Hause, mich abzuholen. Im wunderschönen Domizil angekommen, staunte ich nicht schlecht, als ich aus dem Speisesaal den Cristo Redentor erblickte. Weit in der Ferne auf dem Corcovado, hell und bunt beleuchtet, ragte eines der berühmtesten Bauwerke der Welt in den Nachthimmel. Gleich am ersten Abend durfte ich ein typisch brasilianisches Gericht kosten, Reis mit Bohnen in einer dunklen Soße, „Feijao". Schmeckt besser als es aussieht und die absolute Krönung waren frische Mangos zum Nachtisch, dazu ein Glas Guaraná zwei Stunden nach Mitternacht. In meinem Zimmer erfreute ich mich eines eigenen Badezimmers und dem ersten Mal Privatsphäre nach drei Wochen. Es war unbeschreiblich warm, im Zimmer konnte ich die Temperatur trotz zweier Ventilatoren nicht spürbar unter 30 Grad bekommen. Ich versuchte dennoch, mich aufs Ohr zu hauen, denn dieser Tag war mal wieder anstrengend. Morgen geht es raus in wilde Leben.
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