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Palacio Real Madrid oder die Dekandenz der herrschenden Oberschicht
Vorgestern besuchten wir den Palacio Real. Ich war ganz kurz neidisch. Dann ist mir eingefallen, dass mehr als "3.000 Säle, Sallons und Kabinette" (so steht es im Reiseführer) durchaus ein Nachteil sein können. Man nehme zum Beispiel an, man bräuchte ganz ultra dringend eine Information von einer Person, die sich gerade am völlig anderen Palastende befindet. Dann müsste man erstmal 2 km joggen, bevor man eine Antwort bekommt! Obwohl, wenn man zur königlichen Familie gehört, könnte man natürlich auch joggen lassen...Na, die royale Bagage wird sich ähnliches gedacht haben und bewohnt diesen Pachtbau erst gar nicht. Ist ja auch nicht schön, wenn schon morgens die Touristen durchs Esszimmer stapfen und dem König auf die vergoldeten Puschen treten. Den Palast zu begucken hat mir aber besser gefallen, als im Prado die alten Schinken. Hier kann ich mich halt voll der Vorstellung hingeben, wie es wäre, in wallenden Brokatgewändern durch die Räume zu fegen (fegen, im Sinne von durchschreiten, nicht von fegen...!). Nettes Detail am Rande: der Palast ist das einzige Gebäude der Welt, in dem in nur einem Raum, fünf original Instrumente von Stradivari ausgestellt werden (schau Fotos). Außerdem schön: Bei königlichen Banketten sitzen sich Rey Juan Carlos und Reina Sofia in der Mitte des 2,5 m breiten Esstisches gegenüber. Zur Rechten des Königs die Gemahlin des entsprechenden Staatsgastes, zur Linken die Gemahlin des spanischen Bundeskanzler. Die Königin wird flankiert von den entsprechenden, männlichen Gegenparts. Und jetzt das Tolle: das spanische Protokoll verbietet es, sich quer über den Tisch zu unterhalten. Praktisch für Eheleute, die sich sowieso nichts mehr zu erzählen haben, was?
Nur die minimalistische Inneneinrichtung hat mir nicht so gut gefallen. Hier mal ein Biedermeier-Komödchen, da mal ein Rokkoko-Stuhl...Gar nicht effektiv genutzt der Platz! Eigentlich ist das ganze Ding nur Ausdruck von neuzeitlichem Größenwahnsinn, denn selbst zu Zeiten, in denen noch durch Inzest verunstaltete Majestäten (ja, schaut euch mal im Prado Goyas Gemälde der Königsfamilie an!) durch die Gänge huschten, wurden nur ca. 30 der 3.000 Zimmer bewohnt (für Mathematiker: das ist nur ein Hundertstel!). Schokierend auch, das fast alle Wände des Palastes mit Reinseide-Tapeten bezogen sind. Ich will mal gar nicht wissen, wieviel indische Kinderhändchen da zu Dumpingpreisen geschufftet haben...(kurz vergewissern, ob der letzte Satz Sinn ergibt...ja, Wikipedia sagt, dass Indien bereits 1505 von den ersten Portugiesen entdeckt und kolonisierten wurde, gut). Neben den herrschaftlichen Thronstühlen (jetzt weiß ich, wo der Begriff "Regierungssitz" eigentlich herkommt) konnte man noch die königliche Kapelle und die königliche Apotheke anschauen. Irre, welche Potenzmittelchen die da zusammengebraut haben...Nebenan befindet sich dann die royale Altmetallsammlung. Ritterrüstungen in allen Formen und Farben für Groß und Klein und Pferd. Wusstet ihr übrigens, dass das Schlimmste für einen Ritter das Umschubsen war? Die Rüstungen waren nämlich so schwer, dass er nicht mehr von alleine aufstehen konnte. Erinnert mich irgendwie an die Geschichte der neuseeländischen Wollschafe bei Regen...so, genug Hoheitlichkeit, muss ja noch schnell einen Toledo Bericht verfassen. Also bis gleich!
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