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Holger in Peru
Sonntag ist nicht viel passiert. Ich habe mir das kleine La Merced noch einmal in Ruhe angeschaut und mich mit einem peruanischen Kuenstler unterhalten, der sein Englisch verbessern wollte. Halb 3 hab ich mich dann in den Bus nach Huancayo gesetzt und mir waehrend der Fahrt die Landschaft angesehen, die mir auf der Hinfahrt ja wegen Dunkelheit verborgen blieb. Da ich die letzten Tage immer in einem Einzelzimmer geschlafen hatte und kaum andere Backpacker getroffen hatte, habe ich mir fuer Huancayo ein sehr gut bewertetes Hostel mit einem 10Betten-Schlafsaal ausgesucht. Als ich nach 5 Stunden dann in Huancayo ankam, habe ich mich direkt in ein Taxi gesetzt und zu besagtem Hostel fahren lassen. Der Taxifahrer war relativ schnell wieder abgerueckt und ich befand mich in der Dunkelheit, denn nach Leben sahen die Strasse und das Hostel nicht gerade aus. Nach minutenlangem Klingeln an der Hosteltuer und bereits mentaler Verabschiedung von dieser Herberge, machte mir eine aeltere Dame auf. Passenderweise hiess das Hostel "Haus der Grossmutter". Auf die Frage ob denn noch mehr Gaeste heute hier schlafen wuerden, wusste sie nicht so recht eine Antwort, aber es wuerde gleich jemand kommen, der Bescheid wuesste und auch englisch sprechen wuerde. (Obwohl ich eigentlich der Meinung war meine Fragen in perfektem Spanisch gestellt zu haben ;) ). Die Zimmer hat sie mir aber schon mal gezeigt. Der besagte Schlafsaal war vorhanden, allerdings so steril,als ob die letzten Tage niemand darin gewesen waere. Kurze Zeit spaeter kam dann der (vermutliche) Besitzer und fuehrte mir das Haus nochmal vor. Es war wirklich einladend,allerdings bringen mir die grossen Gemeinschaftsbereiche nichts, wenn ich der Einzige bin. Also hab ich das dem Herren nochmal auf Englisch erklaert, dass ich sein Hostel zwar sehr schoen finde, aber gerne andere Leute treffen wuerde um mich austauschen zu koennen. Das hat er verstanden, konnte mir aber nicht weiterhelfen, da ich de facto der Einzige gewesen waere. Ich habe ihm dann freundlich abgesagt, da es zu weit vom Stadtzentrum entfernt und zu teuer gewesen ist. 2 Punkte, die ich in Kauf genommen haette wenn das Ambiente gestimmt haette. Er hatte Verstaendnis dafuer und wir sind dann gemeinsam ins Stadtzentrum gefahren, da er wieder ins Restaurant wollte, aus dem er herausbeordert wurde um sich mit mir zu treffen. Der Herr war wirklich freundlich und hat mich sogar zur Taxifahrt eingeladen und mir noch Tipps gegeben, wo es sonst schoene Hostels gibt. Diese lagen jedoch ueber meinem Budget,dass wusste ich bereits aus dem Lonely Planet. Also bin ich dann 2 km vom Zentrum in die komplett entgegengesetzte Richtung gelaufen mit dem Ziel eines absurd preiswerten Hotels, da ich von keinen anderen Hostels mit Schlafsaal wusste. Dies scheint in den Bergen nicht so beliebt zu sein, wie an der Kueste. Dort angekommen hab ich sofort ein Zimmer fuer 3,50 Euro pro Nacht bekommen, 6 Quadratmeter mit Bett. Mehr braucht man ja auch nicht zum schlafen. Zum Abendessen gabs 1/4 Brathaenchen mit Pommes.
Den naechsten Tag habe ich zum Organisationstag erklaert. Da ich in knapp einer Woche den Vulkan in Arequipa(El Misti: 5800m) in Angriff nehmen moechte, und ich bisher maximal auf 4000m war, wollte ich auf jeden Fall vorher noch eine Tour machen, die mich zumindest auf knapp 5000m bringt um schonmal die Bedingungen auszutesten. Waehrend meiner bisheringen Reise habe ich schon von verschiedenen Leuten gehoert, die es bei 4000-5000m dahin gerafft hat. Dazu wollte ich in einer Woche nicht gehoeren. Die vom Lonely Planet ans Herz gelegte Touristenagentur hat eine Tour zu einem Gletscher auf knapp 5700m im Angebot. Leider musste ich erfahren, dass diese derzeit nur einmal in der Woche stattfindet (da es zur Zeit wenige Touristen gibt) und die Tour an diesem Vormittag bereits gestartet ist. Welch ein Aerger! Ich bin dann durch die Stadt geschlendert und habe gluecklicherweise eine weitere Agentur gefunden, die diese Tour taeglich anbietet. Merkwuerdig fand ich den im Vergleich zur anderen Agentur niedrigen Preis und, dass ich von dieser Agentur noch nichts gehoert hatte. Aber da ich mehr oder weniger in Zeitnot war und vor Arequipa nur noch eine andere Stadt besichtigen will, hab ich mich dazu entschieden diese Tour zu buchen. Mittags um 1 war die Stimmung also wieder angehoben. 5 Minuten spaeter war sie wieder getruebt, da diese Tour nur stattfindet, wenn mindestens 4 Leute teilnehmen. Ich war bislang der Einzige! Ich hab mit der Dame, dann abgemacht, dass ich am Abend nochmal vorbeischaue um die Lage zu checken. In der Zwischenzeit bin ich wieder durch die Stadt gezogen mit dem festen Vorhaben Kokablaetter zu kaufen. Spaetestens fuer den Vulkan wuerde ich sie sowieso benoetigen. Also bin ich in die Marktgegend gegangen. So einen Riesenmarkt habe ich noch nicht gesehen. Ueber 6-7 Strassenbloecke verteilt wird hier alles gehandelt: Diverse Lebensmittel,Klamotten und ziemlich viel unnuetzes Zeug. Kokablaetter waren nicht zu sehen. Als ich dann in einer Halle war, in der 100 verschiedene Leute versucht haben ihre Kartoffeln zu verkaufen,habe ich einen Haendler angesprochen ob er mir nicht bei der Beschaffung der Blaetter helfen koennte. "Oh,du willst Drogen, haha!? Komm mit,ich zeig sie dir!" Eine Minute spaeter hat mir ein freundlicher Verkaeufer einen Riesensack Kokablaetter, gegen ein kleines Entgelt, in die Hand gedrueckt und ich war gluecklich :) Die Zeit bis zum Abend habe ich dann mit Durch-die-Gegend-Schlendern und Leute-beobachten verbracht, da ich saemtliche Touristenhighlights schon abgearbeitet hatte. Wieder bei der Agentur angekommen, hatte die Dame ein Laecheln auf den Lippen. Ein Amerikaner moechte auch die Tour machen und 6 Peruaner haette sie auch noch auftreiben koennen. Der Tag war also gerettet. Zur Feier des Tages gab es eine hervorragend gebratene Knoblauch-Forelle. Dann hiess es frueh ins Bett zu gehen, denn am naechsten Morgen sollte es halb 9 losgehen.
Heute war ich also rechtzeitig in der Agentur und konnte noch vor dem Start den Amerikaner kennenlernen, da die Peruaner auf sich warten liessen. Sheldon(30, Montana/USA) ist vor 3 Tagen aus Lima angekommen und wollte auch die Berge besteigen. Es gibt tatsaechlich Leute, die in Wirklichkeit Sheldon heissen und nicht nur bei der Big-Bang-Theory. Er war ein sehr angenehmer Zeitgenosse, sodass der Tag schonmal gut angefangen hatte. Von den 6 versprochenen Peruanern kamen dann letztendlich nur 2 junge Paerchen. Die waren nicht gerade so gekleidet um in den Bergen zu wandern. Aber immerhin waren wir 6 und die Tour konnte stattfinden. Wir wurden zunaechst 1,5 Stunden auf 5000m Hoehe gefahren und dann sollte die Wanderung beginnen. Der Zeitplan sah vor: 3 Stunden zum Gletscher des Nevado Cochas im Gebirge Huaytapallana laufen und 3 Stunden wieder zurueck. Unser anfangs muerrischer Guide legte gleich ein ordentliches Tempo vor und sagte, wir sollten doch bitte ein bisschen schneller laufen. Das galt vor allem den beiden Paerchen, denn Sheldon und ich hielten ganz gut mit ihm mit. Von Kopfschmerzen oder Brechreiz war nichts zu spueren, was mich sehr beruhigte, denn nach den Stories der bisherigen "Bekannten" hatte ich doch ein bisschen Bammel. Nach 15 Minuten stieg das erste Paerchen aus und ging zurueck zum Auto. Weitere 15 Minuten spaeter drehte auch Paerchen Nummer 2 um. Waren wir also nur noch zu dritt. Ich hab die These aufgestellt, dass die 4 von der Agentur angeworben wurden,damit sie wenigstens das Geld von Sheldon und mir einsacken konnte, keiner weiss wie es wirklich war. Mir war es egal, ich konnte ja wandern. Ausgeruestet mit meiner vollen Wandermontur ging es also weiter. Das Wetter war uns nicht gerade wohl gesonnen, da wir die ganze Zeit durch Nebelfelder, Nieselregen und Schnee gestapft sind. Maximale Sichtweite waren vielleicht 30 Meter,aber das reichte um den Weg zu sehen. Hin und wieder haben wir eine Pause eingelegt um einen sehr leckeren, vom Guide selbst zusammengebrauten Kraeuter-/Pflanzentee mit Honig zu trinken, und hin und wieder ein Paar Kokablaetter zu kauen. An den anfangs ekligen Geschmack gewoehnt man sich recht schnell. Sheldon hatte ein paar Probleme mit der Hoehe,hat aber gut durchgehalten. Nachdem ich ihm einen Muesliriegel angeboten habe, ist der Guide auch aufgetaut und hat sich angeregt mit uns unterhalten, allerdings haben wir die Gespraeche auf die Pausen gelegt, da der Weg doch recht anstrengend und nicht immer einfach war, da der Regen die Steine rutschig und die Erde matschig gemacht hatte. Nach 2,5 Stunden kamen wir dann am Gletscher in einer Hoehe von knapp 5700m an. Die Sicht wurde mit der Zeit gluecklicherweise etwas besser, sodass man auch eine der 3 umliegenden tuerkisen Lagunen sehen konnte. Wenn man am Gletscher ist, moechte man natuerlich auch auf den Gletscher, sodass ich auch endlich in richtigen Kontakt mit Schnee gekommen bin ;) Kann also ein bisschen mit euch mitfuehlen,wie ihr die letzten Wochen verbracht habt. Dort haben wir eine halbe Stunde verbracht, auch um uns von den Strapazen des Aufstiegs zu erholen. Die Ruecktour haben wir in 1,5 Stunden geschafft, sodass wir statt der geplanten 6 nur 4,5 Stunden benoetigt haben. Dass der Abstieg bekanntlich die groessere Herausforderung ist, habe ich auch am eigenen Leib erfahren, als ich mich einmal lang gemacht habe. Mir ist aber nichts passiert. Insgesamt bin ich mit meiner Ausruestung sehr zufrieden, da sie warm und trocken gehalten hat und ich bis auf das eine Mal immer sehr guten Halt hatte. Auf der Fahrt Richtung Stadt zurueck haben wir noch an einer Forellenfarm Halt gemacht und eine waermende Forellensuppe gegessen. Es ist gar nicht so einfach eine komplette Forelle mit einem Loeffel graetenfrei zu zerlegen,aber es ist machbar. Auf der Weiterfahrt hat sich dann bereits der Muskelkater gemeldet, da es doch eine andere Beanspruchung ist wenn man Hoehenmeter macht, als wenn man 10-15km in der Stadt zuruecklegt. Morgen wird also ruhiger.
Inwieweit ich fuer den Misti gewappnet bin kann ich noch nicht abschaetzen, da ich dort von 3500m auf 5800m in 2 Tagen aufsteigen muss, und ich heute bis auf 5000m gefahren wurde und nur 700 Hoehenmeter zuruecklegen musste. Aber es ist zumindest beruhigend, dass ich nicht zur Hoehenkrankheit zu neigen scheine. Gepaecktechnisch wird es naechste Woche auf jeden Fall haerter, da ich Zelt und Kochsachen mitschleppen muss. Aber insgesamt war es heute ein gutes Training, sodass ich der naechsten Woche positiv entgegen blicke :). Morgen gehts nach Huancavelica, der letzten Etappe auf dem Weg nach Arequipa. Dort gibt es nicht sonderlich viel zu sehen, aber vllt schaffe ich es die Thermen zu besuchen und das andine Leben auf mich wirken zu lassen.
Hasta luego,
Holger
- comments
Rainer Hallo Holger! Jetzt nimmt deine Reise ja ordentlich Fahrt auf. 5.700 m erwandert; meinen Respekt!! Da hast du den Familienrekord ordentlich verbessert, Gratulation! Und das soll ja noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Um den Schnee beneiden wir dich, bei uns reicht es nicht mal mehr zum Skifahren. So einen Sch...-Winter hatten wir überhaupt noch nicht. Wir wünschen dir weiterhin eine gute Zeit mit vielen tollen Erlebnissen. Wir sind bei deinen (sehr interessanten) Berichten immer am Ball. Vielen Dank auch für die Ansichtskarten. Das ist immer eine besondere Freude! Viele Grüße von Heike und Rainer.