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Di. 12.8. - Fr. 15.8.
Meine 2. Woche in Mexico City beginnt mit einem zweiten Geburtstagsanruf aus Bielefeld - dieses Mal ist es mein Vater, der älter wird - und alsdann mit weiteren Erkundigungen zum Thema: den Alltag gestalten.
Beim Abholen des 2. Pakets aus Deutschland habe ich ja fast schon Routine. Allerdings ist der Taxifahrer, der seine Belesenheit mittels eines Psychologiebuchs auf dem Beifahrersitz demonstriert, erheblich wortkarger als sein Vorgänger bei der ersten Tour. Die 22kg schwere Alukiste, unter der die etwas beleibte Postangestellte in Schweiß ausbricht, schleppt er mir jedoch sehr hilfsbereit und ohne jedes Zeichen von Anstrengung bis hinter die Haustür. Solche Tatkraft ist mir natürlich wieder eine Propina (Trinkgeld) wert und so strahlen wir am Ende beide. Er, weil ich wahrscheinlich für mexikanische Verhältnisse wieder etwas zu großzügig war und ich, weil das Ungetüm von Umzugskiste, ohne dass ich einen Finger zu rühren brauchte, wohlbehalten in meinem Haus angekommen ist.
Einen Tag später als geplant, da am eigentlich dafür vorgesehenen Nachmittag ein Gewitter tobte, hole ich die Wäsche ab. Alles ist blitzblank und gefaltet. Natürlich lässt die Lavandera die Sachen bei Bedarf auch gerne bis zur Haustür liefern. Bequemer geht's nicht.
Man merkt, dass der Verwaltungsapparat und die Orga der Schule bereits arbeiten. Von der für mich zuständigen Bereichsleitung Aurelia erhalte ich per Mail den Plan für die 1. Unterrichtswoche sowie mein Deputat. Der Konrektor, der letzteres erstellte, hat offenbar mitgedacht. Ich erteile fast alle Stunden im selben Raum. Wörterbücher und andere Lernmaterialien bleiben also vor Ort. Außerdem unterrichte ich Englisch in 2 Parallelklassen der Einführungsphase. Ich kann also Unterrichtsreihen und Klausuren parallel laufen lassen. Nett. Zum Ablauf der 1. Schulwoche erfahrt Ihr mehr, wenn es so weit ist.
Außerdem funktioniert die Tauschbörse. Über Antje, die Assistentin des Direktors leite ich das Angebot von Maria Eugenias Tochter weiter, die gerne ihr ehemaliges Haus in Schulnähe vermieten würde. Umgekehrt erreicht mich das Angebot eines Kollegen, der am 16.8. nach DE zurückkehrt um dort an einem Tennisinternat Englisch und Spanisch zu unterrichten. Er möchte seinen VW Jetta Jahreswagen loswerden. Also scanne ich den mexikanischen Neu- und Gebrauchtwagenmarkt per Internet, lasse mir 1/2 h lang vom Fordhändler 20 Minuten die Straße herunter die verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten für Ikons und Fiestas erklären und komme zu dem Schluss, dass der mir angebotene Jahreswagen der Mittelklasse im Zweifel die günstigere Alternative ist.
Wir treffen uns heute, am 15.8., auf dem Parkplatz. Kollege Roland entpuppt sich als freundlich lächelnder Bayer in Jeans und T-Shirt mit 5-Tage-Bart. Sein Auto hat ein paar Pfützen und eine erste zarte Berührung mit der Stoßstange des Vordermanns hinter sich, sieht sonst aber gut aus. 100 PS und ca. 33.000km zu einem Preis in Höhe des Betrags, den ich insgesamt in meinen 7-jährigen Silberschlitten im Sauerland investiert habe. Dafür fahre ich jetzt Limousine und nicht mehr Polo. Ärzte-CD, Stadtplan und eine 30km-Probefahrt über den abenteuerlichen Periferico zum Haus des Halters im Norden der Stadt sind im Preis inbegriffen. Aber bevor es losgeht, muss der Kollege, der erst vergangene Woche bei Ingolstadt seinen Vertrag unterschrieben hat, sich nach 2jähriger Tätigkeit noch von allen verabschieden. Ein paar Mexikanerinnen haben Tränen in den Augen. Auch sonst ist die Stimmung herzlich. Ich treffe auf der Abschiedstour Aurelia wieder, die mir Michael, den Konrektor (ja, der mit dem netten Deputat), vorstellt. Außerdem gibt es ein Wiedersehen mit Antje und ich erfahre 1., dass der Kaffee hier gratis ist und 2., dass es unter den Kollegen ein Basketballteam und eine Band geben soll. Sounds like fun. Während Roland den letzten Papierkram regelt und am Handy versucht, seine Frau auf den offenbar etwas überraschenden Autoverkauf einzustimmen, drucke ich die Kaufverträge für das Auto aus.
Dann beginnt nach einem Licht-, etc-Test auf dem Parkplatz und einem Blick ins Checkheft die Probefahrt in den Norden. Um nicht unterwegs liegenzubleiben, müssen wir noch tanken. Bei einem Spritpreis von max. 14 Pesos/l schockt mich der Verbrauch von ca. 8L/ 100 km nicht wirklich. Damit ich auch den Weg zurück finde, wählt Roland die Route über den Periferico. Der Weg bis dahin ist mir von den Combi-Fahrten nach Cuatro Caminos bekannt. Der Periferico ist ähnlich wie sein Pariser Pendant eine Umgehungsautobahn. Anders als in Paris hat dieser 6-spurige Gürtel jedoch 2 Etagen. Die obere Etage ist gebührenpflichtig. Außerdem gibt es eine sog. Lateral, eine Art 2spurigen Seitenstreifen, von dem aus man in die angrenzenden Stadtviertel und Einkaufszentren abbiegen kann. Ziemlich Großstadt. Ziemlich Chaos. Links überholen ist normal. Grundsätzlich gilt nicht rechts vor links oder Autobahn hat Vorfahrt, sondern: wer zuerst kommt, fährt zuerst. Immer wieder staut sich der Verkehr aus unerfindlichen Gründen. Angekommen in Rolands Stadtteil lerne ich eine weitere Besonderheit mexikanischen Fahrverhaltens kennen: Das Rot einer Ampel ist erst dann als Rot und somit als Haltesignal zu betrachten, wenn der Verkehr aus den anderen Richtungen bereits eingesetzt hat. Ampeln stehen grundsätzlich nicht rechts am Fahrbahnrand, sondern auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
Da Roland mit mir vereinbart hat, dass er zunächst allein mit seiner Frau reden sollte, mache ich einen Spaziergang durch's Viertel. Hinter einer blumengeschmückten Plaza Mayor ragt eine „Catedral" genannte Kirche aus der Kolonialzeit auf. Als ich die Kirche wieder verlassen möchte, kommt mir ein Beerdigungszug entgegen. Vor dem in Weihrauch gehüllten Holzsarg wird ein riesiger Blumenkranz getragen, dahinter geht eine traurige Melodien spielende Mariachi-Band in vollem Ornat. Ich muss an die gestrige Beerdigung meines Onkels denken.
Zurück an Rolands Haus ist seine Frau noch immer nicht begeistert, aber offenbar willens, die entsprechenden Papiere vorzulegen. Wir setzen die Verträge auf und unterschreiben. Ich zahle cash in Euro und erhalte beide Fahrzeugpapiere, den Schlüssel, die Steuer-, Anmelde- und Versicherungsunterlagen sowie die zum Checkheft gehörenden Werkstattrechnungen und die Papiere zum abbezahlten Kreditvertrag. Dann ist es soweit: ich sitze in meinem ersten mexikanischen Auto. Wie war das noch? Erst rechts, dann wieder rechts, dann links, über ein paar Ampeln, dann rechts und in den Gegenverkehr hinein in die Auffahrt zum Periferico, die so eng ist, dass Trucks in der Kurve den Acker pflügen müssen um nicht stecken zu bleiben. Im Stop and Go dieses Verkehrsmonsters genehmige ich mir endlich die Sandwiches und den Mangosaft, die ich mir an der Catedral gekauft habe. No need to worry. Dank meiner Combi-Ausflüge weiß ich ja, wo ich nach La Herradura raus muss. Unversehrt erreiche ich das Garagentor des Bosque de Minas 116 und parke im mit 4 Autos schon recht dicht besetzten Hof. Wegen dieser Enge war Maria Eugenia nicht wirklich begeistert, dass mein Auto genauso groß ist wie ihres und das von Eduardo. Eduardos hat auch noch dieselbe Farbe. Vorläufig unterscheidet sie nur das Nummernschild und der Schmutz auf dem meinigen. Maria Eugenia will natürlich sofort meinen Neuerwerb begutachten und nachdem sie mich denn doch zu meinem Kauf beglückwünscht hat, legt sie mir freundlich aber bestimmt einen Besuch in der nächstgelegenen Waschstraße nahe. Dann enteilt sie zur Bank. Grund zur Eile hat sie. Die Banken schließen hier um 16:00Uhr,
Der „Abenteuer" heute sind also nicht genug: ich fahre und lasse waschen. Zunächst läuft alles wie in DE: Das Auto wird abgespritzt, eingeseift und dann geht es durch die Waschstraße. Eigentlich hatte ich doch auch „trocknen" bestellt. Warum also kommt kein Föhn? Weil wir in Mexico sind, stupid. Hier wird das Auto nach Verlassen der Waschapparatur von 2 Chicos nicht nur von Hand abgewienert, nein, es wird besprüht, gesaugt und poliert, sogar die Reifen werden eingecremt. Also sitze ich 20 Minute entspannt im Schatten und gucke zu, wie die Boys bei der Pflege meines Autos ins Schwitzen kommen. Kassiert wird am Ende: 55 Pesos, nada más. Ohne Propina würde ich mich bei dem Arbeitsaufwand in der Nachmittags***ze und diesem Spottpreis endgültig unwohl fühlen.
Als ich heimkomme, sieht es auf Maria Eugenias Terrasse aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Die Duena hat beschlossen, sämtliche Bäume, darunter einen 30jährigen indischen Lorbeer, fällen zu lassen. Ein Gärtnerpärchen hat gestern und heute ganze Arbeit geleistet. Alle Bäume liegen zerhackt und zerstückelt am Boden. Auch das gemauerte BBQ liegt zertrümmert. Ein entsetzlicher Anblick.
Während in DE die ersten Frühaufsteher den 16.8. beginnen, setze ich diese Zeilen ins Netz.
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