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So. 3.8.2014
Gerade als ich den letzten Koffer von meiner Unterkunft unterm Dach zur Haustür bugsiert habe (die Flughafenwaage wird später bestätigen, dass ich da 25 kg wuchte), kommen meine Eltern, wie üblich etwas zu früh, in die Einfahrt gefahren um mich abzuholen. Nach einem kurzen Aprikosen-Pflaumen-Imbiss geht es zunächst quer durch die Eifel, dann über die A48 und die A3 zum Frankfurter Flughafen. Dass Meininger Hotel, eine praktische Mischung aus Hotel und Hostel, liegt tatsächlich nur wenige Fußminuten von meinem Abflugterminal 2. An der Rezeption empfängt uns passenderweise eine Spanierin aus Cantabria. Nach dem Dinner an der Hotelbar erkunden Pa & Ma den genauen Ort meines morgigen Check-Ins, während ich mit dem Shuttle zu Terminal 1 fahre um Pesos und US-Dollars zu tauschen. Der Tag endet, während wir im Abendrot landende Riesenjets beobachten, mit Cuba Libre und Caipe auf der Terasse.
Mo. 4.8.
Ansprechendes Frühstückbüffet um 7:00Uhr. Ich habe vor lauter Aufregung wenig geschlafen.
Um 8:00Uhr bringt uns das hoteleigene Shuttle mitsamt dem Zentner Koffern zu Terminal 2, E. Am American-Airlines-Check-In erwarten uns lange Schlangen. Kaum zu glauben, wie viele Passagiere in einen Flieger passen. Ma würde am liebsten das Angebot annehmen sich für 350,-€ in die Business Class upgraden zu lassen. Ich verkneife mir das. Das Deutsch des Airlines-Mitarbeiters am Schalter ist so gebrochen, dass ich seine üblichen Fragen, ob Geschenke im Koffer sind, etc. kaum verstehe. Englisch will er aber nicht mit mir sprechen. Dafür drückt er bei den 2kg zu viel je Koffer beide Augen zu. 50kg leichter eile ich zum Zoll, da ich vor langen Schlangen gewarnt wurde. Nach einem leider kurzen Abschied von meinen Eltern passiere ich zum ersten Mal eine vollelektronische Passkontrolle: Bitte legen Sie Ihren Pass auf den Scanner; bitte legen Sie erst die vier Finger der rechten dann der linken Hand auf den Scanner. Bitte lassen Sie sich zunächst von vorne, dann im Profil fotografieren. Ist das geschehen, darf man durch die Glasschranke. Die Prozedur, bei der man ohne Gürtel etc. durch einen Detektor marschieren muss, bleibt einem trotzdem nicht erspart. Dann heißt es warten, bis die Passagiere in Gruppen nach Ticketpreis sortiert zum Boarden aufgefordert werden. Zu meinem Glück hat sich meine Sitznummer kurzfristig geändert, so dass ich am Gang zu sitzen komme. Die Plätze sind eng. Mein Kopfhörer hat einen Wackelkontakt. Auf dem in die Rückenlehne des Sitzes vor mir eingelassenen Bildschirm flimmern nur wenige, eher mittelmäßige Filme. Das Essen hat Mensa-Niveau und das Kabinen-Personal hat den Charme eines Köbes in der Montagsschicht. Mein Trenchcoat wird zunächst ins Gepäckfach gequetscht und erst als ich protestiere in die Garderobe gehängt. Regelmäßig rennt jemand gegen meine für derartige Sitze zu langen Beine. Als ich mich auf's Business-WC verirre, werde ich dafür hinterher von einer Ü-50-Stewardeß angeranzt. Kurz: Das Ticket war vergleichsweise günstig und wir erreichen 20 Minuten früher als angegeben Dallas Airport. Stimmungsaufhellend wirkt eine nette, eher kleinwüchsige Französin auf dem Fensterplatz neben mir. Sie versucht seit 3 Uhr morgens von Luxemburg aus zu ihren Freundinnen in Arizona zu gelangen, mit denen sie einen Trip durch den Südwesten der USA machen will. Ich wünsche ihr, dass sie das schafft.
Nach weiteren, dieses Mal äußerst gründlichen Passkontrollen á la USA erkundige ich mich nach dem Abfluggate meines Anschlussfluges, genehmige mir eine im Vergleich zu den AA-Dinners schmackhafte Bockwurst im Brezelteig und merke anschließend in einem Flughafensitz versunken, wie müde ich inzwischen bin. Natürlich würde ich bei diesem nur allzu vertrauten Amerikanischen Geraune rings um mich her am liebsten sofort einschlafen, aber wer passt dann auf mein Handgepäck auf? Ich versuche also so lange angestrengt wach zu bleiben, bis auch die eigentlich heiß geliebten US-Murmeltöne mich nerven. Vor der Airport-Kakophonie fliehe ich schließlich in die Chapel, wo ich 2 Moslems beim Abendgebet Gesellschaft leiste. Schlafen wäre hier pietätlos und ist laut Schild auch nicht erwünscht. Ahnend, dass ich auch auf dem AA-Flug nach Mexico nicht satt werden werde, genehmige ich mir eine weitere Brezelwurst.
Beim Aufruf zum Boarding wird bekannt gegeben, dass die Maschine mit 3 Passagieren überbucht ist. Freiwilligen werden zunächst 250 dann 300 $ geboten, wenn sie bis zum nächsten Flug nach Mexico City warten. Dass wäre leicht verdientes Geld, aber Antje erwartet mich ja und ob die AAs es schaffen meine Koffer so schnell umzudisponieren, ist fraglich. Niemand findet sich. Wir checken also ein - und warten fast eine Stunde, bis endlich der Captain erscheint. Meine letzte Flugetappe startet mit erheblicher Verspätung. Gemessen an der Boeing 777 des Interkontinentalflugs ist dies eine kleine Maschine. Von meinem Sitz aus - wieder am Gang, juchhu - kann ich das Cockpit sehen. Neben mir sitzt ein lustig zwinkernder Abuelito aus der Nähe von Teotihuacan, der mir begeistert von der Riviera Maya erzählt. Seine Gitarre im Gepäckfach verpasst meinem Trenchcoat weitere Falten, aber wer wollte so einem munter plaudernden Aficionado de la Música sein Gepäckstück verdenken.
Anders als zuvor in Dallas habe ich beim Landeanflug auf México keinerlei Ohrenschmerzen. Bereits 10 Minuten vor der Landung erstrahlt unter uns ein nicht enden wollendes Lichtermeer. Fliegen ist schön. Die Mexikaner winken mich zügig durch die Kontrollen. Wer die Einreiseformalitäten der USA überstanden hat, den wollen sie nicht auch noch filzen. Die Grenzbeamtin kreuzt auf der Einreisekarte das gewünschte „CANJE" an. Am Gepäckband brauche ich nicht lange auf meine beiden quietschebunten Koffer zu warten. Muy bien. Als Antje und ihr Mann mich dann, immerhin gegen 24:00Uhr Ortszeit, am Ausgang erwarten, fällt die letzte Anspannung von mir ab. Geschafft. Ich bin da. Bienvenido á México. Im Familien-Nissan der beiden, die selbst erst gestern aus DE zurückgekommen sind, geht es durch die nächtliche Stadt in fast genau jenen Stadtteil, in dem ich demnächst wohnen werde. Zur Erleichterung von Antjes mexikanischem Mann können wir Spanisch sprechen. Angekommen gibt mir Antje zum Zähneputzen noch 2 Flaschen Wasser - bitte kein Leitungswasser! - und dann sinke ich erschöpft auf das Bett ihres noch in Hamburg weilenden Ältesten.
Di. 5.8.
Meine Blase ruft mich zwar um 5:00Uhr Ortszeit aus dem Schlaf, aber verabredet hatten wir das Frühstück für ca. 8:00Uhr und so bleibe ich noch etwas in der seit langem ersehnten Horizontalen. Zur vereinbarten Zeit erwarten mich meine äußerst freundlichen Gastgeber mit herrlich heißem Kaffee, frisch aufgebackenen Brötchen, einem Familienhund, der mir vor Freude am liebsten in die Arme springen würde und, last not least, einem atemberaubenden Blick in ein waldbewachsenes Tal. Dass der Service und der Komfort bei AA nicht die besten sind, ist Antje und ihrem Mann bekannt.
Nach dem Frühstück schicke ich die erste Beruhigunsmail nach DE und erreiche telefonisch meine Vermieterin, von der mich jetzt nur noch 20 Min. Autofahrt trennen. Antje fährt und zeigt mir nebenbei meinen zukünftigen Schulweg. Was mir Dona Maria Eugenia dann präsentiert, übertrifft meine Erwartungen. Neben dem angekündigten Zimmer mit Bad steht mir eine komplett ausgestattete Küche, ein Esszimmer, eine Terrasse und eine Fernsehecke mit Hometrainer zur Verfügung. Maria Eugenia, eine verwitwete Architektin anfang 70, die selbst in der Preparatoria unterrichtet hat, stellt sich Antje gegenüber sofort als Ansprechpartnerin zur Verfügung, falls mir etwas passieren sollte. Ich bin in guten Händen und Antje bestätigt, dass ich mit dieser Wohnung einen Glücksgriff gemacht habe. Auch die Extras übertreffen meine Erwartungen. Im erstaunlich niedrigen Mietpreis inbegriffen sind die Reinigung meines Zimmers und das Wechseln der Bettwäsche 1x/ Woche sowie Strom, Wasser und Internet. Das i-Tüpfelchen ist mein Fensterblick über einen Teil der Stadt auf die gegenüberliegenden Berge. Gerne lasse ich mir zu diesem neuen Zuhause die Schlüssel geben.
Da Antje noch Zeit hat, fahren wir anschließend in das Einkaufszentrum von Interlomas um die für meine Tarjeta Residencial erforderlichen Fotos machen zu lassen. Wie offenbar alle Einwanderungsbehörden dieser Erde hat auch die mexikanische ganz konkrete Vorstellungen darüber, wie diese Fotos auszusehen haben. Antje kennt das Spiel und bewahrt mich vor einem Fehlkauf. Außerdem finden wir in dem Zentrum eine Wechselstube. Beim Umtausch spare ich im Vergleich zu DE mindestens 100€ Wechselgebühren. Auf dem Rückweg geht es an meiner Schule vorbei. Noch sind alle Tore geschlossen, da ja Ferien sind. Außerdem erklärt mir Antje, diese äußerst hilfsbereite Assistente Personal del Director, dass ich erst nach Erhalt der kompliziert zu erwerbenden Tarjeta Res. ein Auto anmelden und ein Bankkonto werde eröffnen können. Paciencia! Bis ich im stolzen Besitz eines Kontos sein werde, wird mich mein Arbeitgeber mit Schecks bezahlen.
Zum Glück gibt es auch gegenüber von meiner neuen Bleibe ein Einkaufszentrum und so mache ich mich, nachdem Antje zum Abschied noch einmal ihre Freude darüber geäußert hat, dass ich da bin, und nachdem ich meine Sachen im wie versprochen sehr geräumigen Schrank verstaut habe,auf zum nächsten Abenteuer: einkaufen bei Superama. Diesen Supermercado kann man am ehesten mit einem Delikatessengeschäft vergleichen, dass sich nicht nur auf mexikanisch-tropische, sondern auch auf spanische (Flan, Jamon Serrano, Chorizo) und US-amerikanische Leckerbissen spezialisiert hat. Besonders in der Obst- und Gemüse- sowie in der Fischabteilung wimmelt es von mir dem Namen nach unbekannten Köstlichkeiten. In der Saftabteilung locken Exoten wie: Orangen-Kaktusblatt-Saft mit einer Prise Petersilie. Am liebsten würde ich alles auf einmal probieren, aber dafür sind meine Fächer in der Küche denn doch zu klein. Außerdem gibt es die Klassiker Mango, Avocado und (riesige!) Papaya im spottbilligen Überangebot. Also hüpfe ich Autolose statt 1x 3x über die Straße und schleppe nicht nur Säfte, Obst und Gemüse, sondern natürlich auch Wasser (Leitungswasserverbot!) sowie 40 Kleiderbügel, ein Bügeleisen (das mir ein Marktmitarbeiter im Dauerlauf bringt) und ein Tischbügelbrett in meinen Bau. Fette Beute! Die Zubereitung des Mittagessens erleichtert mir die warme Theke. Sehr stressmindernd sind auch die freundlich lächelnden TütenpackerInnen an der Kasse. Superama denkt einfach an (fast) alles. Kurz vor dem Einsetzen des hier in dieser Jahreszeit gegen 16:00Uhr üblichen Regens bin ich nunmehr regenschirmbewaffnet fertig mit meinen ersten Groceries in México.
Beim Abendessen setzt sich Maria Eugenia zu mir. Nachdem wir uns ca. 3 h unterhalten haben, kenne ich nicht nur ihre Lebensgeschichte und die ihrer Kinder, sondern ich weiß auch, wie ich mit Bus und Bahn ins Stadtzentrum komme, was ich mir da unbedingt anschauen soll , wie ich welches Obst wasche (Tomaten bitte mit Seife abschrubben!), welche Münzen welchen Zahlungsempfänger in welcher Form beleidigen und dass es beim Superama natürlich einen freundlichen älteren Herrn gibt, der mir meine Einkäufe für ein paar Pesos gerne nach Hause geschleppt hätte. Tourist Information im Mietpreis inbegriffen. Perfecto. Das Gespräch beendet schließlich meine nicht mehr zu leugnende Müdigkeit.
Mi. 6.8.
Meine Blase ist noch immer nicht ganz in der mexikanischen Zeitzone angekommen, aber abgesehen davon schlafe ich hier gut. Beim Oatmeal-Frühstück mit frischer Mango gucke ich mexikanische Nachrichten: Angst vor Ebola, eine Demo für bessere Bildung in Oaxaca, Ausschreitungen in ?, der Streit des mexikanischen Parlaments über die Verwendung der Erdöleinnahmen, die sinkende Zuversicht der mexikanischen Verbraucher, Fußball und Basketball (yes!). Das alles wird von einem jungen Nachrichtensprecher präsentiert, der von Videowand zu Videowand geht. Der Präsident von México hört auf den Namen Nieto (Enkel) und sieht aus wie ein Model. Dann heißt es bügeln. Der zerknautschte Inhalt von 2 Koffern harrt seiner Glättung. Durchs Fenster sehe ich meinen ersten Kolibri. Zwischendurch klingelt die von mir seit langem erträumte Reinigungsfee, eine quirlige kleine Mexikanerin, die sich dafür entschuldigt, dass sie zu früh dran ist und die sich vor Dienstantritt in der Küche ein paar Tacos brät.
Gegen Mittag erkunde ich bei Sonnenschein und Temperaturen um 20°C erstmals ohne Antjes Hilfe und zu Fuß meinen Schulweg. Die 2-3km entpuppen sich als Fahrradstrecke. Hin geht es nur bergab, Zurück nicht zu lange und nicht zu steil bergauf. Einen Teil des Weges kann ich auf autoarmen Wohnstraßen zurücklegen. Unterwegs sehe ich einen mit einem großen Tor gesicherten Spielplatz, zu dem man eigens unter einer Tel.nr. Zugang erbitten muss. Als ich mich ein paar hundert Meter weit verlaufe, raten mir ein paar feixende Kindermädchen, die mit den ihnen Anvertrauten auf dem Weg zu eben diesem Spielplatz sind, mir doch ein Taxi zu nehmen, dass mich sicher zur Escuela Alemán bringen wird. Aber laufen ist doch viele schöner! Neben der Schule entdecke ich ein weiteres Einkaufszentrum, ebenfalls mit warmer Theke - und Head & Shoulders! Nach meiner Rückkehr teste ich meine Adapter und Maria Eugenias WLAN. Beides funktioniert ohne Probleme und so kann ich endlich mit dem Blog anfangen.
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