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Do 7.8.
Heute nehme ich allen Mut zusammen und fahre Maria Eugenias Beschreibungen folgend in die Innenstadt. Da es so weit außerhalb der Stadt keine U-Bahn gibt, gilt es zunächst etwas zu nutzen, was man hier als „Combi" bezeichnet: einen mindestens 12 Jahre alten, knatternden Kleinbus mit so etwas wie einer Stangengangschaltung, dessen Fahrerabschnitt i.d.R. von religiösen Bildern aller Art geschmückt ist und dessen Tür nur bei Autobahnfahrten geschlossen wird. Während der Fahrt läuft US-Pop aus dem Radio. Dank Maria Eugenia erwische ich den richtigen Bus in die richtige Richtung. Die 20-minütige Tour kostet 8,50 Pesos (ca. 50ct.). Der Bus bringt mich an einen Ort namens Cuatro Caminos, den man als mexikanischen Basar beschreiben könnte: ich steige aus hinein in ein Meer von Marktständen aller Art, zwischen denen es von kleinen dunkelhäutigen Menschen nur so wimmelt. Von einer Metro ist nichts zu sehen. Ich frage mich durch und werde schließlich auf eine hinter Sonnenschirmen verborgene Treppe hingewiesen, die mich nach unten in eine im Vergleich zum obigen Marktgewimmel erstaunlich blitzeblanke U-Bahnstation führt. Wer sich jetzt einen netten Jahnplatz, Bielefeld oder Breslauer Platz, Köln vorstellt, hat keine Ahnung , wie viele Menschen täglich durch Cuatro Caminos geschleust werden. Hunderte von max. 1,70m großen Menschen eilen hier kreuz und quer durch riesige Hallen. Allein der Weg zum Ticketschalter und schließlich zum Zug ist ein kleiner Spaziergang. Ein Ticket kostet 5 Pesos (1€ = 17 Pesos). Spottbillig könnte man sagen, da man dann mit diesem einen Ticket so lange man möchte durch die ganze Stadt fahren kann. Maria Eugenia klärt mich aber darüber auf, dass die meisten der ärmeren Mexikaner so weit außerhalb der Stadt wohnen, dass sie vor der U-bahn noch mehrere Busse benutzen müssen um zur Arbeit zu kommen. Unsere Reinigungskraft fährt z.B. 3-4h hin und 3-4 h wieder zurück nur um dafür zu sorgen, dass die servicios incluidos-Klausel in meinem Mietvertrag 1x/ Woche erfüllt wird. Viele Mexikaner verdienen nur ca. 300 Pesos/ Tag. Die Fahrtkosten fressen also einen erheblichen Teil ihres Lohns. Als spottbillig würden sie so ein Ticket nicht bezeichnen.
Mit den Linien 6 & 7 gelange ich zum Auditorio, so etwas wie der Philharmonie von Mexico City; etwa so modern wie das Berliner Pendant, aber viel wuchtiger und grauer.
Davor sind Messingplatten in den Boden eingelassen, auf denen zu lesen steht, welche Berühmtheit hier wann gastiert hat. Außerdem warten vor dem Auditorio die sog. Turibusses, offene Doppeldeckerbusse, die auf 4 verschiedenen Routen durch die Innenstadt fahren.
Ein Tagesticket kostet 140Pesos. Damit kann man so lange die Busse fahren und so oft man will durch die Stadt cruisen. Ein Mann bietet einen meiner spanischen Lieblingsleckerbissen an: Churros!
Am größten Park der Stadt und am Zoo entlang geht es Richtung Paseo de la Reforma, DER Prachtstraße Mexikos. Eine Führung erklärt während der Fahrt aller, was man sieht. Nach dem Park geht die Fahrt durch La Condesa. Dies ist das Bohème-Viertel der Stadt. Hier leben viele Alternative, Künstler und Ausländer. Unter den herabhängenden Ästen der vielen Alleebäume müssen wir Busreisenden im Obergeschoss uns wegducken.
Den Weg säumen z.T. restaurierte Häuser aus der Kolonialzeit.
Später erfahre ich allerdings, dass wegen der vielen Bars diese Ecke ziemlich drogenverseucht ist. Angekommen auf dem monumentalen Paseo passieren wir verschiedene Denkmäler.
Anders als in den mir bisher bekannten Großstädten ist das Aufgebot von schussbereiten Sicherheitskräften in Mexico City erheblich.
Kurz hinter jenem von Christoph Kolumbus steige ich aus um durch die Fußgängerzone Av. Juarez zum Zócalo, dem Hauptplatz der Stadt zu kommen. Kurz bevor die Fußgängerzone beginnt komme ich am Palacio de Bellas Artes vorbei.
In der Nähe finde ich eine Buchhandlung, die tatsächlich einen Stadtplan von GANZ Mexico City führt. Der hat allerdings Tischdeckenformat, aber mein Stadtteil UND die Innenstadt sind drauf und auf der Rückseite gibt es ein Straßenverzeichnis. Erfreut über meinen Fang nehme ich gegenüber vom Palacio einen Snack zu mir: so etwas wie Burritos, allerdings nicht aus Mais, sondern aus einer hauchdünnen Rübenscheibe, gefüllt mit Pilzen und einem mir unbekannten Grünzeug. Dazu gibt's einen ziemlich scharfen Rettichsalat frischen O-Saft. Preis: 70 Pesos in bester Lage.
Nicht weit von meiner Lunchpause beginnt die Fußgängerzone. Dieser Bereich hat internationales Format. Es gibt Zara, Sears ,The Body Shop und natürlich McD. Für den Nachtisch umgehe ich allerdings die Global Players und erwerbe bei einer gut genährten Franziskanerin an der Franziskuskirche gegenüber der erwähnenswerten Casa de Azulejos einen selbstgemachten Flan für 12 Pesos.
So gestärkt bin ich bereit für einen der wichtigsten Tests: kann ich in Mexico shoppen gehen? Ein Laden namens Lineas stellt mich vor erste Probleme: die Türen vor den Umkleiden enden so tief, dass man, würde ich stehen bleiben, meinen Oberkörper sehen könnte. Ich wähle also 4 Oberteile aus, die den Anschein erwecken, dass sie passen könnten und gehe in der Umkleide auf die Knie. In dieser nicht ganz unverkrampften Haltung muss ich feststellen, dass nur 1 der ausgewählten Stücke meiner nicht eben üppigen Oberweite gewachsen ist. Wo gehen nur alle diese kleinen, drallen Mexikanerinnen einkaufen. Der Laden ist voll von ihnen. Aber wie die in eine 36 passen wollen, ist mir schleierhaft. Meine Wahl fällt schließlich auf eine Bluse in dunklem Türkis, eine gute Farbe für mein Haar. Ein erster Streifzug durch die Hosen- und Schuhabteilung bestätigt meine Befürchtungen: für mich kommen allenfalls die Herrengrößen in Frage. Maria Eugenias Sohn, der auch der groß ist, ist vor seiner Auswanderung nach Kanada immer 1x/Jahr nach San Antonio zum Shoppen gefahren. Vielleicht ist das auch für mich eine Option.
Und dann endlich der Zócalo. Riesig! Die Mexikaner haben ihn sympathischerweise zum Kinderspielplatz umfunktioniert.
In der Kathedrale linkerhand ist wie in Sacré Coeur das Allerheiligste zur Anbetung ausgesetzt.
Links von der Kathedrale gibt es einen interessanten Indianermarkt.
Außerdem fahren hier die Turibusses Richtung Basílica, dem Heiligtum der Virgen von Guadelupe. Der Fremdenführer weist mich darauf hin, dass dies die letzte Tour dieser Art für heute ist. Ich weiß aber, dass es in der Nähe der Basilika eine Metrostation gibt. Außerdem beginnt gerade der tägliche Wolkenbruch. Also steige ich ein. Vorbei geht es an der Plaza Garibaldi, wo die Mariachi bei dem Wetter so gar nicht zum Spielen aufgelegt sind.
Als der Regen aufhört, erreichen wir die Basilika. Nachdem er mich nochmals darauf hingewiesen hat, dass mich hier heute keine Turibus mehr abholen wird, lässt mich der Guide schließlich aussteigen. Der Norden, in dem das Heiligtum liegt, ist ähnlich wie in Köln auch in Mexico City eher die Schmuddelgegend. Aus einer Ansammlung von ärmlichen Geschäften und Tacobars ragt wie ein Fremdkörper die Basilika hervor. Von der Bushaltestelle aus erreicht man zunächst den, soweit ich weiß anlässlich des Besuchs von Joh. Paul II errichteten Neubau, in dem sich auch das Gnadenbild befindet.
Dahinter liegt die Barockbasilika. In den Pupillen der Jungfrau soll die Erscheinungsszene abgebildet sein. Außerdem wollen Wissenschaftler so etwas wie Herztöne gemessen haben. Wie diese Bild entstanden ist, ist bis heute ein Rätsel. Ich stimme für 2 Gesätze in das immerwährende Rosenkranzgebet ein und fahre dann 2x am Gnadenbild vorbei. Vor diesem gibt es 2 an ähnliche Einrichtungen in großen Flughäfen erinnernde Laufbänder. Deshalb kann man vor dem Bild nicht stehenbleiben, sondern gleitet immer nur vorüber. Pilgern im 3. Jahrtausend.
Da Maria Eugenia mich davor gewarnt hat nach Anbruch der Dunkelheit noch unterwegs zu sein, mache ich mich kurz nach 18:00Uhr nach einem Schwenk durch den einzigen Souvenirshop auf die Suche nach der U-Bahnstation. Ohne den freundlichen Hinweis einer Polizistin hätte ich die hinter 2 Häuserblocks Versteckte nicht gefunden. Hinweisschilder? Gibt es nicht. War es am Vormittag relativ leer, gerate ich jetzt ins Feierabendgedränge. Sardinenfeeling im Metrokäfig. Bei den Transfers von einer Linie zur anderen ist es fast unmöglich die Gangrichtung zu wechseln. Der Menschenstrom reißt mich mit sich fort. Mich unterscheiden vor allem 2 Dinge von diesen Massen: 1. haben die es eilig und 2. kennen die den Weg. Unterwegs fällt mir auf, wie viele Jugendlich offenbar dazu gezwungen sind lauthals schreiend Tand zu verkaufen. Angekommen in Cuatro Caminos finde ich zum Glück schnell den richtigen Bus und erlebe nun von diesem klappernden Gefährt aus, was Rushhour in Mexico City bedeutet: ein Boxkampf in Blech. Den zunächst unmöglich erscheinenden Zugang zum Peripherique, dem Autobahnring also, bahnt uns schließlich ein verzweifelt mit den Armen rudernder Polizist. Mehrfach trennt den Außenspiegel meines Combis nur die Breite eines Haares vom nächsten LKW. Wer nicht durchkommt hupt. Unten im Tal steht der Smog. Erst als wir im Kampfschritt meinen La Herradura-Hügel erklimmen, wird die Luft besser. Ich bin froh, dass ich so nahe an der Schule wohne, dass mir diese allabendliche Prügelei erspart bleiben wird. Erschöpft steige ich gegen 20:00Uhr kurz vor Sonnenuntergang keine 100m von meiner Haustür aus und erzähle anschließend beim Abendessen Maria Eugenia begeistert von meinen Erlebnissen.
Fr. 8.8.
Obwohl ich bei Sonnenschein erwacht bin, ist dies der erste Regentag. Also komme ich endlich zum Blogschreiben. Zuvor erwartet mich beim Frühstück jedoch eine erfreuliche Nachricht: das 1. Paket aus DE ist eingetroffen und wartet in der Hauptpost zu Chapultepec darauf abgeholt zu werden. Wo in aller Welt ist Chapultepec und wie komme ich dahin? Zum Glück gibt es die um keinen Rat verlegene Maria Eugenia, die mir ein für solche Ausflüge äußerst nützliches Kärtchen der einzigen vertrauenswürdigen ortsnahen Taxizentrale anvertraut. Anrufen soll ich allerdings selbst. Zu meiner Erleichterung spricht auch die Stimme am Telefon das hier erstaunlich oft vertretenen Hochkastilisch Madrider Prägung und so steht wenige Minuten später das bestellte Taxi vor der Tür. Auf der Hinfahrt zeigt sich der Fahrer interessiert daran, wen die Deutschen für wichtig halten und was sie über Hitler denken. Angekommen in der Hauptpost erhalte ich nach einer Überprüfung meiner Identität das 1. Paket. Außerdem finde ich, während der Fahrer wartet, die im Stadtzentrum nur schwer zu bekommenden Postkarten. Schließlich gilt es Pa & Ma's Geburtstagsgrüße auf den Weg zu bringen. Das 12kg-Paket auf den Armen jogge ich durch den Regen zurück zum Taxi. Auf dem Rückweg steuert der Fahrer, ein überzeugter Katholik und Zapatist, der seit 8 Jahren in Mexico City arbeitet, zielstrebig die Gretchenfrage an. Dass Gespräch endet mit der Frage, wer nach der Lektüre der Geschichte vom reichen Jüngling eigentlich noch als Christ zu bezeichnen ist. Hardcorekatechese auf einer Fahrt durch dichte Regenschleier. Preis: 120 Pesos inklusive Wartezeit an der Post.
Nach einem kurzen Mittagsimbiß packe ich das Paket aus. Alles ist unbeschädigt angekommen. Dann schreibe ich die ersten Postkarten und lasse mir von Maria Eugenia den Weg zur nächstgelegenen Minipost beschreiben. Sie liegt nur 15 Fußminuten entfernt. Auf dem Rückweg entdecke ich ein Nagelstudio, einen Friseur und einen schönen Ausblick auf den Unihügel. Manche der Menschen auf der Straße gaffen diese seltsame 1,90m-Rothaarige, die sich per pedes in den Großstadtdschungel traut, geradezu an. Manche verstehen vor lauter Erstaunen zunächst nicht, was ich sage, wenn ich z.B. nach dem Weg frage. Aber alle sind freundlich und wer kann, gibt Auskunft.
Dann geht es wieder ins Einkaufsparadies Superama. Neben meinen ersten Tortillas, aus denen man Tacos macht, erstehe ich eine Frucht, die sogar Maria Eugenia nicht kennt, und Frijoles, eine Art Bohnenbrei, dessen Varianten sich dadurch unterscheiden, dass sie unterschiedlich gewürzt sind. Dazu isst man Nachos.
Maria Eugenia sieht meine mexikanischen Kochbemühungen mit Amüsement.
Dann ist es endlich soweit: Zeit zum Blogschreiben.
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