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Seit meinem letzten Eintrag ist relativ viel Zeit vergangen. Nachdem ich tolle erholsame drei Tage in Varadero am superschönen Strand verbrachte, holte ich am 23. April Hardy, Claudia, Nik und Steffi mit viel Gepäck, inkl. zwei Fahrrädern, am Flughafen in Havanna ab. Hardy und ich hatten eine dreiwöchige Veloreise vor uns, die anderen begaben sich auf eine andere Rundreise, unsere Wege kreuzten sich in den folgenden Wochen jedoch ein paar Mal.
Die drei Wochen mit Hardy waren geprägt von grosser Spontaneität. Wir hatten eigentlich gar keine Pläne, Hardy's einziges Ziel war, wie er mir sagte, Land und Leute kennen zu lernen. Und so sollte es sein. Sein Aufenthalt in Kuba begann super, per Zufall liefen wir an ein Konzert von Los Van Van hin, weltbekannte kubanische Salsaband. Sie spielten auf der PlazaTribuna Anti-Imperialistaein Gratiskonzert für die KubanerInnen. Supertolle Stimmung und ich genoss einmal mehr das Tanzen :-)
Am nächsten Tag machten wir unsere Fahrräder startbereit - zusammenschrauben, bepacken, was ist wirklich nötig und muss zwingend mit, was kann in Havanna bleiben? Jedes Kilo zählt. Am wichtigsten war, genügend Wasser dabei zu haben. Die ersten Tage unserer Veloreise waren nämlich geprägt vonHitze, wie sie zu dieser Jahreszeit seit Jahrzenten nicht mehr erlebt wurde. So waren wir bei Temperaturen um die 36° unterwegs! Wasser war unser Lebenselixier! Am späteren Nachmittag des 24. April 2015 machten wir uns also bei doch noch starker Sonne auf den Weg Richtung Westen. Fernziel war Viñales. Die erste Etappe führte uns fast immer dem Meer entlang über ziemlich flache Strassen - auf Hauptstrassen aber auch Autobahn - nach Mariel. Unterwegs bekamen wir viele verlassene (Hotel-)bauten, zu Gesicht, einen Flughafen in dem alte Flugzeuge repariert werden, aber auch schöne Naturabschnitte. Nachdem wir aus Havanna raus waren, wurde es auf der Strasse ziemlich ruhig und es war extrem angenehm, mit dem Velo unterwegs zu sein. Ein erstes Bad im nicht sonderlich abkühlenden Meer durfte für Hardy unterwegs natürlich nicht fehlen. Wir kamen bei Dämmerung in Mariel, einem absolut untouristischen Hafenort an und fanden in einem von zwei existierenden Casa Particulares eine Unterkunft. Die ersten 45km hatten wir geschafft.
Hardy war am nächsten Tag schon früh unterwegs und als ich gegen 9 Uhr erwachte, hatte er schon frische tropische Früchte zum Frühstück gebracht. Diese waren zusammen mit dem Knuspermüesli aus der Schweiz superlecker und ein perfektes Frühstück, um gestärkt auf die nächste Tagesetappe zu gehen. Unser heutiges Ziel war Las Terrazas, 50km. Als wir um 10 Uhr losfuhren war die Sonne bereits stark, es war drückend heiss. Die Hitze wurde an diesem Tag ziemlich schnell unerträglich und ich merkte gegen Mittag, dass ich an meine Grenzen komme und eine Pause dringend nötig war. Plötzlich hörte ich Hardy mich rufen und sah ihn auf der Strasse stehen. Was war wohl passiert? Bei ihm angekommen sah ich das Malheur: sein Gepäckträger war gebrochen! Dies, obwohl wir versucht hatten, gewichtsmässig auf das Minimum zu reduzieren. Au weia, und jetzt? Hardy's erste Reaktion: zum Glück sind wir im richtigen Land! J Wir suchten einen Schattenplatz am Strassenrand und Hardy begann an seinem Fahrrad rumzuschrauben. Plötzlich sah ich von weitem zwei Typen auf Fahrrädern auf uns zuradeln. Wie es in Kuba so üblich ist, hielten die beiden Brüder an und fragten was passiert sei. Der ältere schaute sich die Situation an und sagte, wir sollten zu ihnen nach Hause kommen, dort würden sie uns helfen können. Gesagt getan - und so sassen wir kurze Zeit später im Garten der Familie, umzingelt von Kindern, deren Müttern, und den Männern, die Hardy's Fahrrad begutachteten und dann zu schrauben begannen. Die Buben schauten dabei extrem interessiert zu. Es war ein tolles Erlebnis mit einer extrem gastfreundlichen und hilfsbereiten Familie. Nach ca. zwei Stunden war eine Lösung gefunden, Hardy's Gepäckträger repariert und wieder tragfähig. Wir waren gestärkt vom frischen Mangosaft und hatten einen riesen Sack voll frischer Mangos, die im Verlaufe der zwei Stunden vom Baum gefallen waren, im Gepäck. Hardy war dermassen gerührt, dass er der Familie am liebsten sein ganzes Hab und Gut, vor allem aber sein mitgebrachtes Werkzeug, das für sie eine halbe Werkstatt war, geschenkt hätte. Da musste ich doch ein wenig auf dem Boden bleiben und ihn bremsen, schliesslich war es erst der zweite Tag unserer Veloreise! ;-) Die Frage, wie man sich für ihre Leistung revanchieren konnte, war nicht ganz einfach. Schlussendlich honorierte Hardy die Familie mangels anderer Möglichkeiten doch mit Geld, was für die grosse Familie sicher sehr willkommen war. Völlig dankerfüllt und beeindruckt über die Gastfreundschaft fuhren wir weiter. Es war mitten am Nachmittag, die Sonne brannte unerbärmlich auf unsere Häupter und wir merkten schnell, dass wir es so niemals bis nach Las Terrazas schaffen würden. Auf der Karte sah ich, dass demnächst eine Lagune kommen sollte, unsere Rettung. So kämpften wir uns weiter durch die Hitze durch ein Militärgebiet und merkten plötzlich, dass es nicht mehr ging und wir sofort Schatten benötigten. Dieser war spärlich vorhanden, wodurch wir nicht lange überlegten, als wir einen grossen Bambus sahen. Wir legten uns kaputt in den Schatten des Bambus nahe beim Strassenrand. Kurze Zeit später fuhr ein Polizeijeep an uns vorbei - und wieder zurück. Drei Polizisten stiegen aus und kamen auf uns zu, wir gingen vom schlimmsten aus (waren wir in Militärgebiet?!?). Die drei Herren waren jedoch äusserst freundlich und wollten sich nur vergewissern, dass es uns gut ging. Sie hätten sich Sorgen um uns gemacht, als sie uns da liegen sahen. Sie teilten uns mit, vorsichtig zu sein und uns bei Schwierigkeiten sofort bei ihnen zu melden. Als ich sie nach dem Ort, wo wir uns befänden, fragte und ihnen meine Offline Map zeigte zur Orientierung, stellten sie lachend fest, dass ich ja besser ausgerüstet sei mit Kartenmaterial als sie selbst… Nach unserer Siesta fuhren wir am späteren Nachmittag weiter. Die fehlenden hügeligen 20km bis nach Las Terrazas waren hart, die Hitze immer noch drückend. Ein Bad in einem Bach unterwegs rettete uns und brachte uns die notwendige Abkühlung, um es doch noch zu schaffen. Wir kamen total geschafft, aber stolz auf unsere Leistung, in Las Terrazas an. Dort hatte es keine offiziellen Casa Particulares, sondern nur ein Hotel. Dennoch gab es einige Personen, die ihre Zimmer vermieteten und so kamen wir in einem dieser Häuser unter. Wir assen ein feines z'Nacht an der schönen Lagune von Las Terrazas und fielen dann todmüde ins Bett.
Nach dem harten Abschnitt vom Vortag, hatten wir am nächsten Tag das Bedürfnis auf einen Velofreien Tag und machten uns zu Fuss auf Erkundungstour der wunderschönen Natur rund um Las Terrazas. Den Nachmittag verbrachten wir beim Baden im Fluss, so wie hunderte andere KubanerInnen auch. Was konnte man bei dieser Hitze besseres tun?! Abends speisten wir im ersten Vegi-Restaurant, das ich hier in Kuba gesehen habe. J
Unsere zweite Etappe hatte uns etwas gelernt und so fuhren wir am vierten Tag frühmorgens um 8 Uhr weiter. Die hügelige Strasse mitten durch eine wundervolle Berglandschaft der Sierra del Rosario war toll und wir genossen die Fahrt sehr. Es war schön, mit Fahrrad unterwegs zu sein. Es war auch beeindruckend, wie die KubanerInnen auf uns reagierten. Überall grüsste man uns freundlich und rief uns motivierende Worte zu. Es war eine grosse Wertschätzung zu spüren. Unterwegs konnten wir immer wieder den kubanischen Alltag mitten auf dem Land sehen. An diesem Tag trafen wir unter anderem auf einen Köhler, der uns seine Arbeit erklärte. Pro vollen Sack Kohle erhalte er vom Staat 2 CUP (ca. 8 Rappen). Der Staat verkaufe den Sack dann für 26 CUP! Der über 70 Jahre alte Köhler teilte uns offen mit, dass er mit diesem Einkommen nicht überleben könnte, zumal er noch eine behinderte Tochter unterhalten müsse. So nehme er halt einen Teil der Kohle für sich und verkaufe diese privat. Solche Geschäfte sind die einzige Möglichkeit für die KubanerInnen, über die Runden zu kommen. Ich nenne diese Geschäfte halblegal, da der Staat Bescheid weiss, dass ein durchschnittliches Einkommen zum Überleben nicht wirklich ausreicht und sich die KubanerInnen etwas einfallen lassen müssen, um über die Runden zu kommen. An diesem Tag trafen wir gegen 11 Uhr im lebhaften Dorf Bahía Honda ein und entschieden uns, am dortigen Strand unsere Mittagspause zu verbringen. Das Bad im Meer tat gut. Hardy war von der Durchfahrt in diesem Dorf begeistert vom Leben an diesem Ort und wollte noch etwas mehr Zeit dort verbringen. So entschieden wir uns am späteren Nachmittag, im Dorf ein casa zu suchen, von denen es auch hier nicht gerade viele hatte. Wir wurden jedoch fündig und etwa 10 Minuten später trafen zwei weitere Touristen - ein Schweizer Ehepaar - ein. Die Familie funktionierte eines ihrer Schlafzimmer im Eiltempo zu einem Gästezimmer um und sie verbrachten die Nacht alle in einem Zimmer. Den Nachmittag liessen wir durchs Dorf schlendernd ausklingen. Dort trafen wir auf einen Kubaner, der uns mitteilte, dass sie im Garten gerade eine Caldosa kochen würden und wir doch mitkommen und diese probieren sollten. Super, dass Hardy dies auch erfahren konnte. J Wir begaben uns in den Garten der Familie, wo einige junge Männer am Trinken waren. Da fiel uns auf, wie viel Vertrauen wir hier den Leuten gegenüber hatten. In anderen Ländern müsste man sich genau vor solchen Einladungen sehr in Acht nehmen. Hier in Kuba fühlte ich mich bis heute jedoch nie bedroht oder in Gefahr. Die Caldosa schmeckte Hardy und zum Abschied schenkten die Jungs uns noch eine Flasche eines einheimischen Süssweines. Die Gastfreundschaft der Kubaner ist einfach unbeschreiblich!
Das Treffen mit dem Schweizer Ehepaar war für uns enorm hilfreich. Hardy hatte nämlich die Idee, den beiden, die mit dem Mietwagen Richtung Havanna unterwegs waren, einen Teil seines Gepäcks mitzugeben und so leichter unterwegs zu sein. In der Zwischenzeit wussten wir nämlich, was wir für die Veloreise wirklich benötigten. So wurde sein Gepäck um einige Kilos leichter und ich musste am nächsten Tag schauen, wie ich dem glücklichen, sich leicht fühlenden Hardy nachkam. Wir radelten 40km bis nach Palma Rubia. Ziel war, dort unsere Mittagspause am Strand zu verbringen. Unterwegs gab uns der Guarapo (frisch gepresster Zuckerrohrsaft) am Strassenrand die notwendige Energie, um zum Ziel zu kommen. In Palma Rubia stellten wir enttäuscht fest, dass es hier keinen Strand gab, sondern nur einen Fähreanlegeplatz für die Überfahrt nach Cayo Levisa. Dies scheint eine wunderschöne Insel zu sein, gemäss Fotos und Erzählungen. Als wir jedoch erfuhren, dass dies einer der noch wenigen Orte ist, an den die KubanerInnen nicht gehen dürfen (Schutzmassnahme, um die Flucht in das nahe gelegene Florida zu verhindern!), entschieden wir uns dagegen, auf diese Insel zu fahren. Wir verbrachten den Nachmittag im Restaurant, darauf wartend, dass es etwas kühler wurde. Plötzlich sahen wir von weitem viel Rauch. Im Gespräch bekamen wir mit, dass das Land brannte. Es windete sehr stark heute und das Feuer breitete sich im Eiltempo aus. Kurze Zeit später musste die Strasse nach Havanna, auf der wir noch vor einigen Stunden fuhren, gesperrt werden. Aufgrund des (Gegen-)Windes und meiner Müdigkeit, machte ich mich auf die Suche nach einer alternativen Transportmöglichkeit in das 20km entfernt gelegene La Palma. ÖV gab es an diesem Ort keine. Die Touristenbusse konnten uns nicht mitnehmen, sie waren zu klein oder in die andere Richtung unterwegs. Als ich einen Camion sah, fragte ich mich nach dem Chauffeur des Fahrzeuges durch. Dieser teilte mir mit, er transportiere die Arbeiter nach La Palma. Wir könnten gerne mitfahren, müssten einfach warten, bis die Arbeiter kämen. Toll! Kurze Zeit später trafen die Arbeiter bereits ein und halfen uns, unsere Fahrräder auf den Camion zu schuften. So stand ich ein paar Minuten später umzingelt von ca. 30 Arbeitern als einzige Frau in diesem Camion. Wir fuhren in der Nähe des Feuers vorbei nach La Palma. Nach und nach stiegen die Arbeiter aus. Als nur noch wenige übrig waren, kamen wir ins Gespräch und sie führten uns dann in La Palma in ein casaparticular. Auch dies war ein Ort, an dem es kaum casas hatte, absolut untouristisch. Wir wurden von einer äusserst freundlichen alleinerziehenden Frau in Empfang genommen und verwöhnt.
Am nächsten Morgen zeigte uns ihr Sohn seine Taube und wie er diese gezüchtet hatte. Nach einem etwas längeren Flug, als er es erwartete, und kurzem Bangen, dass sie nicht mehr zurück kommt, flog diese jedoch wieder in ihren Käfig und der Junge konnte zwar verspätet, aber beruhigt in die Schule gehen. Wir radelten weiter, 55km bis nach Santa Lucía. Die Strasse war in katastrophalem Zustand, es hatte extrem viele Löcher und wir mussten mit grosser Konzentration und langsam fahren. Zudem hatten wir Gegenwind. So waren wir froh, als wir in Santa Lucía einfuhren. Im einzigen casa, das wir im kleinen Dorf sahen, wurde heute Geburtstag gefeiert. Und wie die KubanerInnen so sind, luden sie uns umgehend zum Geburtstagsfest ein. Das Geburtstagskind wurde heute 16 Jahre alt, die Familie und Freundinnen waren versammelt. So sassen wir lange mit ihnen zusammen und erlebten ein kubanisches Geburtstagsfest mit viel Rum (für die Erwachsenen), Torte und Musik.
Wir hatten Santa Lucía angesteuert, um uns auf die Insel Cayo Jutías, auf der es keine Übernachtungsmöglichkeiten gab, zu begeben. Am nächsten Tag war es leider bewölkt. Wir entschieden dennoch, auf die über einen kurzen Damm mit dem Festland verbundene 15km entfernte Insel zu fahren. Es war schön, einmal ohne Gepäck unterwegs zu sein. Cayo Jutías zeigte sich als völlig unberührt, Natur pur. Wir liefen durch die Mangrovenwälder und legten uns dann bei einer Palme am Meer nieder. Dort genossen wir den ganzen Tag die Robinson Crusoe-Stimmung. Es war niemand zu sehen und hören, wir hatten vor uns ein tolles Meer. Was wollte man mehr???
Am 1. Mai fuhren wir frühmorgens los, eine Tagesetappe von 45km mit Ziel Viñales stand uns bevor. Diese sollte gemäss Beschrieben wunderschön sein und durch eine der reizendsten Landschaften Kubas führen. Bereits nach 3km merkte ich, dass ich heute grosse Mühe hatte, ich schaffte es kaum einen kleinen Hügel rauf und war von Anfang an an meinen Grenzen. Ich befürchtete, die 45 km nicht zu schaffen und auf anderem Weg nach Viñales gehen zu müssen. Hardy drängte mich aufgrund dessen bereits nach 5km zu einer längeren Pause. Danach ging es mir besser. Die Strecke nach Viñales war zwar hügelig, jedoch wirklich traumhaft schön und die schönste unserer Reise. So war es einfach nur toll Fahrrad zu fahren. Ich konnte es wieder geniessen und wir waren glücklich, als wir gegen Mittag in Viñales ankamen. Den Tag liessen wir im schönen, jedoch sehr touristischen Dorf ausklingen. Wir entschieden uns, zwei Tage in Viñales zu bleiben, uns ein wenig zu erholen, die Natur rund um das Dorf zu geniessen und die weitere Reise zu planen. So erkundeten wir an einem Tag die Umgebung von Viñales mit dem Fahrrad. Wasserfälle, Wälder, Kalksteinfelsen und Hügel, Tabak- und Kaffeeplantagen und viel mehr sahen wir, Natur pur. Die Region ist wirklich wunderschön. Den zweiten Tag verbrachte Hardy zu Hause. Ich hatte das Bedürfnis zu laufen und begab mich auf eine Wanderung. Nach etwa einer Stunde sprach mich ein junger Mann auf seinem weissen Pferd an und fragte, ob ich nicht Lust auf einen gemeinsamen Sonntagsausflug auf dem Pferd hätte, er würde mich einladen. Nach meinem letztjährigen Reitunfall in Trinidad hatte ich grosse Bedenken, mich erneut auf ein Pferd zu setzen. Nachdem wir länger miteinander geredet haben, entschied ich mich dafür. Luis hatte viel Geduld und einen tollen liebevollen Umgang mit den Pferden, so dass die erneute Reiterfahrung sehr positiv ausfiel. Wir ritten zur Bergsiedlung Los Aquáticos. Diese wurde 1943 gegründet und ist bekannt dafür, die Heilkraft des Wassers entdeckt zu haben. Die Kolonie ist nur zu Fuss oder zu Pferd erreichbar. Die Aussicht von dort oben war einfach nur traumhaft und ich genoss die Ruhe. Hier würde ich gerne eine Weile bleiben, dachte ich. Und der Hausbesitzer lud mich ein, zu ihnen zu kommen. Er würde mir die Öko-Landwirtschaft und das Heilen mit dem Wasser zeigen. Tönt spannend, wer weiss, vielleicht komme ich mal noch darauf zurück. Ich verbrachte jedenfalls einen tollen Tag im Einklang der Natur. Abends trafen wir Claudia, Nik und Steffi und gingen zusammen tanzen, was ich auch sehr genoss.
Am nächsten Tag galt es Abschied nehmen von Viñales. Ich wäre gerne länger geblieben, aber Hardy's Zeit in Kuba war begrenzt, so dass wir weitergingen. Heute verluden wir unsere Fahrräder und nahmen den Bus Richtung Havanna. Unser Ziel war Santa Clara bzw. Cayo Santa María. Hardy hatte den Wunsch, die Stadt des Che Guevara und einen schönen Strand Kuba's zu sehen. Jedoch konnte uns in Viñales niemand Auskunft geben, wie und wann wir dorthin kämen. Deswegen entschieden wir uns, erstmals nach Havanna zu fahren. Dort angekommen wusste auch niemand Bescheid, wie wir auf den Cayo kämen. Ich nervte mich sehr, über die inkompetenten Angestellten. Hardy nahm es locker und kam mit zwei anderen Fahrradtouristen ins Gespräch. Dabei stellte sich raus, dass die beiden die ganzen Busfahrpläne ausgedruckt hatten und so kamen wir zu den erwünschten Informationen! Der Tourismus in Kuba boomt zurzeit und die Busse waren ziemlich gut besetzt. So mussten wir für ein Busticket nach Santa Clara Schlange stehen, ganze zwei Stunden. Und ergatterten die letzten beiden Plätze. Auf der Suche nach einem Zimmer in Santa Clara assistierten wir einer filmreifen Szene: auf dem Trottoir stehend hörten wir einen Feuerwehrwagen mit Alarm anfahren. Wir schauen hin und plötzlich krachte es heftig. Der Feuerwehrwagen war völlig ungebremst in ein auf der Strasse parkiertes Auto geputscht. Ein wohl betrunkener Fahrer und seine Kollegen stiegen schockiert aus dem Wagen, um den Schaden zu begutachten. Dies nahm wohl noch ein längeres Nachspiel, jedenfalls standen die Fahrzeuge ein paar Stunden später immer noch dort, zusammen mit Polizisten und vielen Schaulustigen.
Der nächste Tag war ganz dem Leben des Che Guevara gewidmet. Wir besuchten das Museum mit Mausoleum, fotografierten Che-Statuen, Hardy besichtigte den vom Che und seiner Truppe überfallenen Zug etc. Es war toll, mit den Fahrrädern in der Stadt unterwegs zu sein, man kam gut und rasch von einem Ende zum anderen. Am späteren Nachmittag überraschte uns heftiger Regenfall. Wir waren auf dem Weg nach Hause und ich radelte schneller, um so rasch als möglich ins trockene Zimmer zu kommen. Und plötzlich war ich am fliegen… Ich hatte ein mit Wasser überdecktes tiefes Loch auf der Strasse nicht gesehen. Hardy und die Leute auf der Strasse hielten schockiert an, mein Flug war wohl auch fast filmreif. Und ich hatte wirklich einen grossen Schutzengel, der Sturz hatte nur ein paar grosse blaue Flecken zur Folge.
So konnte ich am nächsten Tag problemlos die fast 60km nach Caibarién zurücklegen. Die Strecke war zwar meist flach, jedoch sehr stark befahren und es war daher nicht so angenehm zu fahren wie auf den Strassen im Westen Kuba's. Auf den letzten Kilometern holte uns wieder heftiger Regen ein und so trafen wir tropfnass in Caibarién ein, wo wir in einem tollen Casa mit gutem Restaurant Unterschlupf fanden. In Cabiarién blieben wir einen Tag und entdeckten das total authentische kubanische Dorf per Fahrrad. So bekamen wir viel zu sehen und besichtigten unter anderem auch das Haus einer kubanischen Künstlerin, Madelín. Es war sehr beeindruckend, wie uns ihre Eltern das Werk ihrer Tochter, aber auch ihre eigenen kreativen Arbeiten näher brachten.
Die 53km lange Fahrt über den Damm nach Cayo Santa María war nicht sonderlich spektakulär. Es war zwar schön, umzingelt von Meer unterwegs zu sein, die gerade flache perfekte Strasse wurde jedoch rasch langweilig. Und trotzdem hatte Hardy genau auf dieser Strasse den einzigen Platten dieser Reise. Der Schlauchwechsel war schnell gemacht und gegen 11 Uhr trafen wir bereits in Cayo Santa María in unserem gebuchten Hotel ein. Es standen uns zwei Tage Strand-Erholungsurlaub bevor. Wir waren zwar froh, an unserem Ziel angekommen zu sein, jedoch war der krasse Unterschied zu dem in den letzten Tagen erlebten authentischen kubanischen Leben irritierend und auch etwas schockierend. Wir waren hier wirklich in einer anderen Welt, weit weg vom kubanischen Alltag, angekommen. So schön das Hotel war, uns passte diese Atmosphäre nicht sonderlich. Unverständlich war es für uns, dass viele Leute nur dieses Kuba zu Gesicht bekommen! Angekommen im Hotel konnte an der Rezeption unsere Buchung nicht gefunden werden. Und kurz darauf kam die Botschaft, sie hätten uns zwar gefunden, jedoch hätten wir das Zimmer erst in einer Woche gebucht! Oh Schreck! Im Buchungsstress hatte ich das falsche Datum, eine Woche später, angegeben. Ich kam ins Schleudern, ins Funktionieren, begann rumzutelefonieren (nach Deutschland) und Mails umher zu schicken, da wir eine Bestätigung vom Reisebüro benötigten, um die Buchung zu ändern und heute dort bleiben zu können. Hardy wartete und wartete und wartete - und hatte in dieser Zeit die zielführende Idee: Schmiergeld! Tja, wie konnte ich das vergessen, wo doch in Kuba alles über Schmiergeld funktioniert! Kurze Zeit später hatten wir unser Zimmer bezogen und konnten von den All Inclusive-Angeboten profitieren. Am ersten Abend hatte Hardy leider einen kleinen Unfall und holte sich eine grössere Wunde am Bein zu. Wir desinfizierten diese mit dem letzten verbleibenden Desinfektionsmittel, das wir dabei hatten. Im Hotel gab es keine Sanitäter. Die Wunde sah am nächsten Tag nicht gut aus, wodurch wir in die Apotheke fuhren, um sie zu zeigen und Desinfektionsmittel zu kaufen. Dies gab es jedoch in der internationalen Apotheke nicht und sie verwiesen uns an die diensthabende Krankenschwester (im internationalen Spital, wo sich auch die Apotheke befand). Diese führte Hardy ins Behandlungszimmer und behandelte die Wunde. Das Zimmer war wirklich sehr sehr spärlich eingerichtet, unglaublich. Die Krankenschwester füllte uns ein wenig Desinfektionsmittel in ein Fläschchen ab und entliess uns nach Bezahlen der Rechnung.
Nach zwei Tagen Strandurlaub im All Inclusive-Resort nahmen wir wieder den Bus. Mangels Verbindungen fuhren wir weiter nach Varadero, weiterer absolut touristischer Ort in Kuba. Dort verbrachten wir jedoch nur eine Nacht, genossen am Morgen kurz den supertollen Strand von Varadero und nahmen dann den Bus weiter bis Jibacoa. Dort wollten wir auf dem Campingplatz übernachten. Bei den ersten beiden Plätzen verwies man uns auf das Camping „Los Cocos", denn auf diesen Plätzen dürften nur KubanerInnen übernachten. Schade, dass es diese Trennung nach wie vor gibt. Im Camping „Los Cocos" angekommen, teilte uns die Dame mit, das Camping sei voll - für KubanerInnen. Die Häuser in CUC seien zwar frei, sie müsste jedoch zuerst abklären, ob die Putzfrau Zeit habe, heute noch eines zu reinigen, damit wir dies beziehen können. Wir sollten in einer Stunde nochmals kommen. Die Warterei zog sich hin, bis ich mich am Schluss selbst auf die Suche nach der Putzfrau machte, um die Angelegenheit zu klären. Etwa vier Stunden nach unserer Ankunft konnten wir so endlich unser Zimmer beziehen. Das Zimmer war in einem erschreckenden Zustand, obwohl der Campingplatz erst 12 Jahre alt und als einer der besten Kuba's gelobt wird! Wasser gab es erst nach 18 Uhr. So gingen wir an den Strand, und auch dieser schockierte uns total. Nach den Tagen am Traumstrand von Cayo Santa María und Varadero, trafen wir hier auf einen völlig verschmutzten Strand. Es machte mich wütend zu sehen, welche Abfallberge hier gelagert wurden und wie sich niemand darum kümmerte und ich hatte das Bedürfnis, den Strand zu reinigen. Wenn ich einen Rechen gehabt hätte, hätte ich es getan. So nahmen wir das Fahrrad und fuhren dem Strand entlang weiter. Wir trafen auf einen schönen Abschnitt, wo gerade ein Video für eine kanadische Reiseagentur gedreht wurde. Ein riesen Aufwand mit viel Personal und Material, um das englische Modell am Strand zu filmen. Abends stiegen wir noch auf den Hügel hinter dem Camping und sahen der Sonne beim Untergehen zu. Es war eine tolle Aussicht von da oben.
Nach dem Verzehr des restlichen Knuspermüeslis machten wir uns am nächsten Tag auf das letzte Stück unserer Veloreise - zurück nach Havanna. Auf flachen Strassen fuhren wir auf einer doch viel befahrenen Strasse dem Strand entlang bis Guanabo. Hier begannen die Hausstrände von Havanna. Der Ort war wirklich sehr schön und Hardy genoss die Abkühlung im Meer. Wir fuhren dann noch etwas weiter und verbrachten den Nachmittag am letzten Stück der Hausstrände von Havanna, an der wunderschönen Bucht Playa Bacuranao. Gegen Abend trafen wir dann im Casa Mobi, dem Haus eines Schweizers, in Miramar ein, wo wir auf ein weiteres Schweizer Ehepaar trafen und mit ihnen unsere Erfahrungen austauschten. Auch mit den Vermieterinnen tauschten wir Erfahrungen aus und sie ermutigten mich, das Geschäft mit einem Casa und einem Auto sei super und bringe wirklich gutes Geld. Ich solle dies auch tun… Am nächsten Tag fuhren wir ins Vedado, zu dem casa wo wir unsere Reise starteten und wo auch Hardy's Hab und Gut zwischengelagert war. Wir wurden dort sehr herzlich empfangen und es fühlte sich fast an, wie wieder zu Hause anzukommen. Wir verbrachten viel Zeit mit Vitalina, Maribel und Martin und erzählten ihnen unsere Erfahrungen. Maribel und Martin waren begeistert und teilten uns mit, dass sie diese Erfahrung gerne auch machen würden. So werden sie voraussichtlich im Juli unsere beiden Fahrräder ausleihen, um quer durch Kuba zu fahren. Wir fuhren dann noch mit den Fahrrädern durch Havanna, damit Hardy zumindest etwas weniges von Havanna zu sehen bekam. Das Museo de la Revolución war spannend zu besichtigen. Abends trafen wir Claudia, Steffi, Monika und Christian und gingen gemeinsam im El Litoral am Malecón zum z'Nacht und Austausch über unsere Reise.
Am 14. Mai packten wir dann all unsere Sachen zusammen. Hardy hatte sich zum Ziel gemacht, nur mit Handgepäck in die Schweiz zurück zu fliegen. Entsprechend viel Gepäck hatte ich und verzweifelte fast dabei, dies in einen beförderbaren Zustand zu bringen. Schlussendlich nahmen wir die Fahrräder wieder auseinander, packten die Kartons voll und verstauten so all die Mitbringsel von Hardy. So brachte ich am späteren Nachmittag Hardy an den Flughafen. Ich war traurig, Abschied zu nehmen. Es war eine tolle unvergessliche Reise mit ihm und unseren Fahrrädern durch Kuba. Dennoch war ich froh, dass nicht ich in die Schweiz zurück fliegen musste.
Ich nahm noch am selben Abend den Bus Richtung Santiago und kam nach 16 Stunden Fahrt am nächsten Tag hier an. Nun waren also meine drei Reisemonate vorbei und ich musste mich wieder in den Alltag hier in Kuba einfügen. Ich hatte etwas Bedenken, vor allem in Bezug auf die fehlende Tagesstruktur. Ich freute mich hingegen aufs Tanzen und auf das Wiedersehen mit den mir bekannten Leuten. Shekil und seine Familie, Rey und Lia und die Nachbarn empfingen mich sehr sehr herzlich, sie schenkten mir Früchte und fragten, wie es mir ergangen sei.Auch das Auspacken der Fahrräder aus den Kartons wurde von der halben Nachbarschaft sehnsüchtig erwartet. Man half mir, die Velo's zusammenzuschrauben, sie wurden geölt und gewaschen. Und nun klingelt es ab und zu mal an der Tür und man fragt mich, ob sie das Fahrrad benützen dürfen JDie erste Woche verging so ziemlich schnell, mit Wiedersehen und austauschen. Es fiel mir jedoch nicht ganz leicht, wieder im kubanischen Alltag Fuss zu fassen. Auf der Reise fällt einem der Mangel an so vielen Dingen viel weniger auf. Nebst dem Mangel an Lebensmitteln ist in den letzten Wochen vor allem die Wassersituation überaus prekär. Im Regenmonat Mai hat es dieses Jahr kaum geregnet hier in Santiago de Cuba. Das Wasser ist knapp und wird nicht mehr so regelmässig wie sonst geliefert. Wir waren letzte Woche zehn Tage ohne erneute Wasserzufuhr. Die Tanke leerten sich mehr und mehr und man überlegt sich bei jedem spülen und vor jeder Dusche, ob es jetzt wirklich notwendig ist. Beim Abwaschen gilt es zu sparen, Wäsche waschen ist gar kein Thema. Als das Wasser letzten Freitag dann wieder floss, war das ganze Quartier am Waschen und Putzen. Am Sonntagmorgen wurde der Hahn dann wieder zugedreht und nun warten wir, dass wieder Wasser geliefert wird und sparen erneut. Ich habe mir seit meiner Ankunft in Santiago viele Fragen gestellt, vor allem in Bezug auf meine Alltagsstruktur. Was könnte und sollte ich tun hier und in meiner Zukunft? Phasenweise ist es mir hier sehr langweilig und ich bin wenig gefordert. Phasenweise geniesse ich es sehr, in den Tag hinein leben zu können. Ich habe nun ein Fahrrad und kann umherkurven. Ich hab seit meiner Ankunft mehrmals gebacken und Konfitüre gemacht. Die KubanerInnen sind sehr dankbare Esser, das Gebäck wird jeweils in höchsten Tönen gelobt und ist innert kürzester Zeit verschlungen. Ich durfte an der Uni-Abschlusszeremonie von Shekil teilnehmen (und dort auch mit meinen Muffins einen Beitrag leisten), an einem Geburtstagsfest, hab mein Zimmer gezügelt und eingerichtet.Seit letzten Donnerstag habe ich wieder fast täglich Tanzunterricht. An der Uni war es leider nicht möglich, mich für den letzten Monat des Semesters für einen anderen Kurs anzumelden. Ich mache mir zurzeit auch Gedanken, wie ich in Bezug auf mein Aufenthaltsvisum weiterfahren soll. Viele Fragen ohne Antworten; jedoch versuche ich einfach mal zu leben, ganz nach der Aussage von Jochen Mariss auf einer Karte, die mir meine Freundin Tamara zum Abschied geschenkt hat:
Einmal nicht der Zeit nachjagen. Keine Ziele verfolgen, keine Folgen bedenken, keine Bedenken hegen. Nicht nach dem Sinn und Nutzen fragen. Nicht planen, nicht hasten. Einfach nur den Moment geniessen.
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Hardy Bucher Danke Miriam Blog, Fotos und Kommentar, ist super gemacht! de Hardy