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Nun ist schon mehr als die Hälfte meines Jahres unbezahlten Urlaubs vorbei. Es ist ein intensives Jahr, mit vielen neuen Erfahrungen, die mich sicher mein Leben lang begleiten werden. Egal was ist oder sein wird, ich bin froh, diese enorm bereichernde Erfahrung und Auszeit, diese persönliche Weiterbildung, machen zu dürfen.
Wie einige von euch wissen, hat sich mein Aufenthaltsstatus hier in Kuba in der Zwischenzeit verändert. Ich bin nicht mehr Studentin, sondern Touristin. Nach etlichen Überlegungen hab ich mich dazu entschieden. Den letzten Monat des Unisemesters habe ich schlussendlich zwar doch vom Tanzkurs in den Kurs „Kubanische Kultur" wechseln können, in dem wir jeden Donnerstag ein Museum anschauen gingen. Dies war spannender als der Tanzkurs, hätte ich aber ganz gut auch alleine machen können. Die Qualität der beiden Kurse, die ich erlebt habe, ist dermassen schlecht und nicht mehr als Beschäftigungstherapie, dass ich dieses Geld lieber für etwas anderes ausgebe. Dieser Entscheid führte jedoch dazu, dass ich per Ende Juni aus Kuba ausreisen musste. Dies war der Grund, warum ich kurzerhand für eine Woche nach Santo Domingo flog. Von Santiago aus kann man nur in die Dominikanische Republik, nach Haiti oder nach Jamaika fliegen. Ansonsten hätte ich nach Havanna reisen müssen, was mir zu aufwändig war. Da die meisten Flüge ausgebucht waren, musste ich an einem Montagabend ziemlich spontan entscheiden zu buchen und flog bereits am Dienstagnachmittag ab. Völlig unvorbereitet traf ich in Santo Domingo ein. Ich traf in dieser Stadt während der ganzen Woche jedoch immer wieder auf tolle, supernette, hilfsbereite Menschen, die mich dabei unterstützten, das zu finden, was ich finden wollte. In Santo Domingo landete ich in einem wundervollen Hostal, das ich allen, die jemals in diese Stadt gehen, wärmstens ans Herz lege: La Choza Guesthouse. Das Haus mit sechs unterschiedlichen Zimmern gefiel mir extrem und die Besitzerin Francesca sorgte dafür, dass man sich bei ihr sofort wie zu Hause fühlte. Ich verbrachte eine sehr angenehme Zeit in diesem Hostal. Francesca gab mir auch viele Tipps, was ich in Santo Domingo tun konnte. Ich genoss dort in erster Linie die Verfügbarkeit von fast allen Dingen, vor allem aber den Wifi-Zugang. So konnte ich doch mit einigen mal wieder per Skype kommunizieren. In Santo Domingo nahm ich (das erste Mal in meinem Leben, da ich in der Schweiz nie Zeit dafür hatte) an einer Museumsnacht teil. Ich genoss auch ein wenig das Kapitalismus-Leben, ass in feinen (nicht-traditionellen) Restaurants (auch vegetarische), ging in Einkaufszentren (unter anderem Ikea), benutzte die klaren und verfügbaren Transportmittel. Auch einen Strandtag genoss ich am Hausstrand von Santo Domingo. Es passte mir, alleine unterwegs zu sein. Man war viel offener und lernte viel mehr Leute kennen. So verbrachte ich eine tolle Woche in der Dominikanischen Republik und hatte ziemlich Mühe damit, wieder nach Kuba zurück zu kehren. Der Wechsel vom Kapitalismus in das vom Mangel geprägte Kuba fiel mir zum ersten Mal wirklich schwer und ich nervte mich über die Nichtverfügbarkeit von so vielen Dingen. Hier in Santiago de Cuba erwartete mich zudem eine unglaubliche Hitze, wie ich sie noch nie in meinem Leben erlebt hatte. Es ist dermassen heiss und düppig, man ist träge, hat keine Lust etwas zu unternehmen, beim Sitzen im Schatten läuft mir schon der Schweiss runter, vom Tanzen gar nicht zu sprechen. Es kühlt auch in der Nacht nicht ab und um Mitternacht herrschen noch Temperaturen von 30 Grad! Nachmittags sind die Strassen fast menschenleer, es ist allen zu heiss, draussen zu sein. Momentan fliesst zum Glück das Wasser wieder (warm) aus der Leitung.Der Regenschirm, den ich so nicht brauche, wurde kurzerhand zum Sonnenschirm umfunktioniert. Und so sperre auch ich mich häufig mit laufender Klimaanlage in mein Zimmer ein, was nicht so Spass macht. Als schon fast revolutionär hier in Kuba ist der seit dem 1. Juli errichtete Wifi-Zugang in drei Parks in Santiago de Cuba. Zudem wurden die Kosten für den Internetzugang um mehr als die Hälfte gesenkt. Bis anhin gab es nur in den grossen Luxushotels Wifi-Zugang! Ich freute mich natürlich sehr darüber und kann somit auch wieder etwas häufiger über Whatsapp und Co. kommunizieren. Nicht zu vergessen ist jedoch, dass Kuba nach wie vor blockiert wird und somit trotz Wifi-Zugang nicht alles verfügbar ist, Skype geht z.B. nach wie vor nicht.
Im letzten Monat wurde hier viel gefeiert. Der Juni war geprägt von Abschlüssen, etliche Bekannte haben die Uni abgeschlossen. Nach dem Prüfungsstress wurde dann gefeiert. Ich hatte so die Gelegenheit, eine kubanische Diplomarbeitspräsentation, aber auch die darauf folgenden Diplomfeiern zu erleben.
Im letzten Monat hatte ich Besuch von zwei Schweizer Kolleginnen, zuerst war Priska für etwas mehr als eine Woche hier in Santiago, und letzte Woche kam Manuela mit ihrem Freund. Mit ihnen war ich natürlich auch viel im Ausgang am Feiern. Und so konnte ich wieder mal ein wenig Schweizerdeutsch sprechen mit jemandem, der auch meine Einstellungen verstehen und nachvollziehen konnte. Die KubanerInnen funktionieren doch etwas anders als ich und können meine Handlungen manchmal nicht nachvollziehen. Manchmal schätzen sie jedoch meine andere Art auch, beispielsweise beim Kochen. Da freuen sie sich immer mal wieder, meine Pizza, Rösti, Kartoffelgratin oder Lasagne zu probieren. Letzten Sonntag habe ich für Lhien ein Abschiedsfest organisiert und für die Anwesenden Pizza gemacht. Einige betitelten diese als beste Pizza, die sie je in ihrem Leben gegessen hatten J Lhien reiste am Mittwoch nach Brasilien, in eine dreijährige (Ärzte)Mission. Die kubanischen Ärzte sind weltbekannt und tausende von Ihnen gehen ins Ausland, v.a. Venezuela und Brasilien, neu aber auch Südafrika, für drei- oder mehrjährige Missionen. Für sie ist es die Möglichkeit aus Kuba raus zu kommen, etwas anderes zu sehen, vor allem aber auch Geld für sich und ihre Familie zu verdienen. Der Staat erhält für einen gesandten Arzt nach Brasilien 5000$ monatlich, die Ärzte selbst erhalten nur 1000$ davon ausbezahlt. Für sie ein Vermögen, das Verhältnis ist ansonsten jedoch schockierend! Nun, sie wollen trotzdem (fast) alle gehen und können so nach Rückkehr ein Haus oder ein Auto kaufen und sich und ihrer Familie ein besseres Leben ermöglichen. Ich wollte Lhien zu ihrer Abreise Fotos von ihren Liebsten mitgeben und kam auf die Idee, ein Poster zu gestalten mit den Fotos und Worten ihrer Familie und Freunde. Nun, ihr fragt mich immer wieder mal, wie ich meine Zeit hier in Santiago verbringe (nebst im Zimmer Eingesperrt sein mit laufender Klimaanlage ;-)). Um die 40 Fotos auszudrucken brauchte ich 6 Stunden! Bei brütender Hitze lief ich von einem Fotoshop zum nächsten, entweder waren sie gerade in Renovation, hatten keinen Strom oder es fehlte sonst an Material. Am anderen Ende der Stadt fand ich dann einen funktionstüchtigen, wartete an der für Kuba obligatorischen Warteschlange und konnte die Fotos zwei Stunden später dann holen. Nun hatte ich die Fotos, wo kriegte ich aber ein Plakat her? Dies wird hier in Kuba nicht verkauft, sagte mir Shekil. Mangel macht erfinderisch und mit Beziehungen kriegt man häufig auch, was man braucht. So erhielt ich von der Chefin eines Kulturlokals zwei Plakate des Karibikfestivals, das perfekt dazu diente, Lhien ein Poster zu gestalten. Ihre Familie und Freunde waren begeistert von der Idee und vom Resultat und Lhien (und nicht nur sie) wurde beim Abschiedsfest und bei der Plakatübergabe entsprechend emotional. Sie ist eine sehr herzliche und aktive Person und war die Animateurin hier im Quartier. Sie wird uns allen entsprechend sehr fehlen.
Ansonsten war letzte Woche hier in Santiago de Cuba grosses Fest - das alljährlich stattfindende Festival del Caribe. So war sowohl tagsüber als auch abends immer etwas los in den Strassen und auf den Plätzen, es wurde gesunden, getanzt, getrunken und gefeiert. Darin sind die KubanerInnen richtig gut J Von Jung bis Alt sind jeweils alle voller Elan mit dabei. Krönender Abschluss war der Umzug gestern Nachmittag, wo am Schluss auch der Teufel und damit alles schlecht verbrannt wurde. Ich hatte das Privileg, diesen Umzug auf dem Balkon eines Bekannten von oben erleben zu dürfen. Es war toll, wie Karneval. Gute Stimmung, viel laute Musik und tolle Tänzer. Am Schluss kam die landesweit bekannte Conga von Santiago und alle Zuschauer begaben sich rund um die Conga, tanzten und sangen. Auch ich begab mich unter die Masse, es war eine super Stimmung. J
Nächste Woche kommt eine weitere Kollegin aus der Schweiz, Jolanda. Freue mich auch auf den Austausch mit ihr. Vielleicht werden wir auch noch ein wenig rumreisen in Kuba, mal schauen. Ab dem 20. Juli ist hier in Santiago Ausnahmezustand, da beginnen die jährlichen weltbekannten Carnavales, die eine Woche dauern. Und wie es danach bei mir weitergeht weiss ich zurzeit nicht und werde ich womöglich genauso spontan entscheiden, wie ich dies beim Flug nach Santo Domingo tat.
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