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Ich stelle fest, dass es nicht ganz einfach ist, diesen Blog zu schreiben. Es vergeht viel Zeit zwischen den Einträgen, und doch ist diese Zeit für mich mittlerweile irgendwie zum Alltag geworden. Ich habe mich mit vielen Sachen abgefunden, und mir ist häufig gar nicht mehr bewusst, dass dies anders ist als bei uns in der Schweiz. Letzte Woche hatte ich jedoch Besuch von Nicole, eine Aargauerin. Ich habe sie auf der kubanischen Botschaft in Bern kennengelernt, als Hardy und ich dort das Visum holten. Durch ihre Anwesenheit und viele interessante Gespräche mit ihr, wurde mir wieder einiges bewusst. Cuba ist eine völlig andere Welt und kann nicht wirklich mit anderen verglichen werden. Die kulturellen Unterschiede zwischen Schweiz und Cuba sind riesig und ich komme immer mal wieder an den Punkt, dass ich Mühe habe, gewisse Handlungen nachvollziehen und verstehen zu können. Es ist daher viel Toleranz und Verständnis gefragt.
Mein Unistart und -Alltag gestaltet sich als schwierig. An meinem ersten Tag wurde mir gesagt, ich müsse um halb neun bei der Cafeteria sein, dort hole die Lehrerin die Studenten ab und um 9 Uhr beginne dann der Unterricht. Ich kam 5 Minuten zu spät dort an, es war weit und breit niemand zu sehen. Nachdem ich einige Minuten gewartet habe, fragte ich im Büro nach. Die Sekretärin sagte mir, sie könne mir nicht weiterhelfen, ich solle halt nächste Woche wieder kommen und sie kläre dies in der Zwischenzeit mit der Lehrerin. Ich ging dann doch nochmals zur Cafeteria, fragte mich durch Studenten, Dozenten und andere Angestellte durch. Schlussendlich gab mir die Putzfrau kompetent Auskunft und zeigte mir, wo der Unterricht stattfindet. In der Zwischenzeit war 9.15 Uhr. Ich ging in den Raum, der wie ein Theater mit Stühlen und einer Bühne ausgestattet war, rein und traf auf eine junge Frau, die am Computer Tanzvideos anschaute und einen Mann, der seine Tasche am packen war. Auf meine Nachfrage hin, bestätigte man mir, dass hier der Tanzunterricht stattfinde. Ich fragte nach, wer denn die Lehrerin sei und ob es keine Studenten habe. Die seien draussen. Draussen traf ich auf eine Frau, die mit drei älteren italienischen Herren am diskutieren war. Dies waren meine Mitstudenten. Kurze Zeit später traf noch eine ältere Norwegerin ein, die auch an diesem Kurs war. So starteten wir um 9.30 Uhr mit der Repetition von dem, was die Gruppe seit August gelernt hatte. Das Niveau war eine absolute Katastrophe und meine Mitstudenten hatten ziemlich Mühe mit dem Erlernen von Tanzschritten. Heute war dann Rumba angesagt. Die Tochter der Tanzlehrerin, die in Havanna am Folkloretheater tanzt, und nun für die Ferien in Santiago war, gab uns ziemlich kompetent Unterricht. Dank ihr ging ich dann doch einigermassen motiviert von meinem ersten Unitag nach Hause. Mein zweiter Unitageine Woche später gestaltete sich jedoch als Katastrophe. Nachdem uns drei Stunden lang der Grundschritt von Son und Salsa beigebracht wurde, und meine Mitstudenten dies immer noch nicht begriffen, ging ich völlig frustriert nach Hause und entschied, dass ich meine Studienrichtung ändern werde. Da ich in den nächsten drei Monaten aber vor allem am reisen sein werde, werde ich das danach tun, bis dahin schwänze ich also meinen Unterricht ;-). In der Zwischenzeit habe ich auch meinen Studentenausweis erhalten. Somit kann ich also nach Costa Rica reisen und ohne neues Visum zu machen wieder in Cuba einreisen. Weiter kann ich dank dem Studentenausweis viele Angebote zu kubanischen Preisen (Eintrittspreise in die Disco, Flugtickets und andere Transportmittel.
Die Transportmittel sind hier in Cuba ein Abenteuer. Nebst den üblichen normalen Bussen (die es zu unterschiedlichen Preisen entweder für Kubaner bzw. Studenten wie mich oder Touristen gibt) oder Touristentaxis, die es in moderner (gelber) Version oder mit Oldtimer-Autos gibt, hat es ganz viele exklusive Transportmöglichkeiten, die in jeder Stadt ein wenig unterschiedlich ausfallen. Mein alltäglicher Transport innerhalb von Santiago de Cuba ist das Motorrad. Es fahren hunderte Motorräder den ganzen Tag durch die Strassen, man stellt sich an den Strassenrand, hält eines davon an, gibt die Adresse an, wo man hin will, setzt sich den Helm auf und los geht's. Der Helm ist zwar eine Alibiübung, denn Schutz bieten diese nicht wirklich. Ich hatte zu Beginn jeweils wahnsinnige Angst vor diesen Töfffahrten, in der Zwischenzeit hab ich mich daran gewöhnt. Wenn es weiter weg geht, sind die üblichen Transportmittel der Kubaner die camiones oder die Bicicorres. Die Camionessind umgebaute Lastwagen, die über Steh- und Sitzplätze verfügen. Meist sind dies lange Bänke, die über die ganze Länge eingesetzt wurden (ich habe aber auch schon mal eine bequemere Variante mit Bussitzen erlebt). Man sitzt (wenn man Glück hat, sonst steht man) eingequetscht in einer unbequemen Blechbüchse, sieht meistens kaum raus. Die etwas bequemere Version für mittellange Strecken ist das Bicicorre. Dies sind unterschiedliche alte Autos, die umgebaut wurden. Es sind eine Art Sammeltaxis, die an konkreten Orten stationiert sind. Man kommt dort an, fragt welches Auto zum Ort, wo man hin will, fährt, und wartet, bis sich genügend Personen gemeldet haben und das Auto voll ist. Dann geht die Fahrt los. So kann es sein, dass man umgehend losfährt, aber es kann auch passieren, dass man Stundenlang auf die Abfahrt wartet.
Mit dem unbequemen camion bin ich letzthin nach Palma Soriano gefahren, Ort wo Rey und Kenia aufgewachsen sind. Ich musste einquetscht im camion lachen, als ich an die Schweiz dachte. Ich kam mir vor wie bei einem Gefangenen- oder Viehtransport und habe mir geschworen, mich nie mehr über volle Schweizer Züge zu beklagen. Den Zug hab ich bis anhin übrigens noch nicht in Anspruch genommen. In Palma habe ich das Wochenende verbracht, wobei ich nicht viel vom Städtchen gesehen, sondern mehr das Haus und das Fest der Familie genossen hab. Die Cousine (Neimara) und Mann (Juan Carlos) von Rey und Kenia empfingen mich sehr nett und ich war einmal mehr Teil der Familie. Die einjährige Nichte von Juan Carlos klebte sich von Anfang an an mich, sie war so richtig süss, und hatte dennoch bereits bestimmte Züge einer kleinen Latina.Es gab auch wieder die obligatorische Caldosa. Auf der Strasse gab es an diesem Wochenende auch ein Rumbafestival. Und hier in Palma hab ich das erste Mal, seit ich in Cuba angekommen bin, gefroren am Abend. Die Rückfahrt fand dann am nächsten Tag zum Glück in einem bequemeren camion statt.
Das Bicicorre nahm ich bis anhin vor allem in Anspruch, um an den „Hausstrand" von Santiago zu fahren - Playa Siboney, wo auch das Geburtshaus von Compay Segundo steht. Playa Siboney ist ein unspektakulärer Strand, von den Santiagueros jedoch wohl der meistbesuchte, da er gut erreichbar ist. Er wurde von einigen Jahren vom Wirbelsturm Sandy total zerstört. Auch für einen (erneuten) Ausflug auf den Cayo Granma mit Nicole, Shekil, sowie meinen Tanzlehrern Yoaris und Lili und einer neuseeländischen Tanzschülerin Naty haben wir für den Tag ein Bicicorre gemietet. Dieses führte uns zum Cayo, wo wir die Fähre rüber auf die Insel nahmen, und holte uns dann am Abend an der Marina Marlin wieder ab. Nach einem gemütlichen Spaziergang und einem Drink auf dem Cayo führte uns ein Privatschiffchen an die Punta Gorda, wo wir ein üppiges Mittagessen, wie es in Cuba so üblich ist, genossen. Den Nachmittag verbrachten wir an der Marina Marlin. Dort findet jeweils Sonntags von 10 - 19 Uhr die absolute IN-Party von Santiago statt. Die KubanerInnen stylen sich extrem auf. Es geht hier um Sehen und Gesehen werden, die schönsten Kleider werden präsentiert und teure Getränke gekauft. Vor allem die jungen KubanerInnen geben das wenige Geld, das sie haben, für schöne Kleider, MakeUp und ebensolche Parties - Farandula genannt - aus.Und so können sie zeigen, was sie haben. Der Umgang mit dem Geld ist ein ziemlich schwieriges Thema und ich hab häufig Mühe, das Verhalten der Kubaner diesbezüglich nachzuvollziehen. Letzthin war ich auch an einem Kindergeburtstag eingeladen, Kevin (mein Deutschschüler) wurde 9 Jahre alt. Er und seine Eltern leben wirklich sehr arm, sie haben ein ganz kleines Schlafzimmer für alle drei und eine Küche, sonst nichts. Der Geburtstag wurde an einem Fluss in einem Restaurant mit Schwimmbad gefeiert. Als ob dies nicht schon genug wäre, erhielt Kevin zu seinem 9. Geburtstag ein Samsung Galaxy Tablet geschenkt! Man bedenke, dass dies etwa 9 Monatslöhne eines Durchschnittkubaners kostet!!! Jedem seine Prioritäten….
Prioritäten musste auch ich in den letzten Wochen setzen, und diese lagen klar beim Tanzen. Dafür musste der Deutschunterricht darunter leiden, da nebst den Schulzeiten der Jungs und meinen Tanzkurszeiten häufig keine Möglichkeiten für Sprachunterricht mehr bestanden. Der Tanzkurs macht mir wahnsinnig Freude, die Tanzlehrer sind sehr professionell und zudem supernette Leute. Nebst viel Salsa hab ich nun auch schon Grundkenntnisse von Bachata, Merengue und Kizomba. Es fanden schon von den Lehrern organisierte Parties statt, wo ich viel getanzt habe, endlich :-). Mit Yoaris und Lily, meinen Tanzlehrern, bin ich auch sonst schon weggegangen. In Cuba gibt es fast immer etwas zu feiern, daher kommen die Ausgänge meistens nicht zu kurz. Und auch mit Hannah (die ich in Madrid kennengelernt habe) und Nicole war es toll im Ausgang. Die beiden sind in der Zwischenzeit leider wieder in Madrid bzw. Nicole noch in Matanzas, im Norden von Kuba, fliegt aber Ende Monat auch wieder zurück in die Schweiz.
Nicht nur die Ausgänge, auch die Ausflüge die ich mit Nicole unternahm waren toll und ich war ein paar Tage aktiver, aber halt auch eher touristisch unterwegs. Nicole und ich gingen nebst Entdeckungsreisen in und um Santiago de Cuba auch zusammen nach Camagüey, wo wir das Projekt Camaquito (www.camaquito.org) besuchten.Camaquito ist eine im 2001 vom Schweizer Mark Kuster gegründete Kinderhilfsorganisation, die Kinder und Jugendliche in Camagüey in den Bereichen Bildung, Sport, Kultur, Gesundheit und Umwelt unterstützt. Ein interessantes, sinnvolles Projekt, es gibt wenig solche in Cuba.
Es ist jeweils ganz anders, mit anderen Ausländerinnen unterwegs zu sein und tut gut, ab und zu auch mal mit ähnlich denkenden Leuten auszutauschen. Obwohl die meisten KubanerInnen, die ich bis anhin kennen gelernt habe, extrem offen, grosszügig und herzlich sind, ist die Kultur wie gesagt doch völlig anders. Als ich beispielsweise wieder auf dem Cayo Granma war, genoss ich die Ruhe dort extrem. Dies ging auch den anderen AusländerInnen so, da der Alltag in Cuba wirklich sehr lärmig ist. Da läuft von Montag bis Sonntag, frühmorgens bis spätabends bzw. nachts irgendwo Musik, es klingeln Telefone, Türklingeln, man hört Maschinenlärm, es schreit jemand auf der Strasse um etwas zu verkaufen, man hört die Gespräche der Nachbarn oder das Geschrei der Hunde, Hühner oder auch mal Schweine von nebenan. Die KubanerInnen hingegen haben die Ruhe auf dem Cayo kaum ausgehalten und sagten, sie könnten niemals dort wohnen. So verstehen sie mein Bedürfnis nach Ruhe und Raum für mich häufig nicht, da sie dies nicht kennen. Entsprechend schwierig ist es für mich, mir diese Ruhe und Raum zu nehmen, da die Möglichkeiten dafür sehr gering sind, wenn ich mich nicht einfach nur in mein Zimmer verkriechen will.
Im Zimmer verkrieche ich mich nur ab und zu, jedoch verbringe ich für meine Verhältnisse sehr viel Zeit zu Hause.Zur Zeit bin ich noch stärker an das Haus gebunden, da ich letzten Donnerstag einen Misstritt gemacht habe. Die Folge war ein stark schmerzender, blauer und geschwollener Fuss. Am Montag hab ich nun auch das Spital von Santiago und den Chef-Orthopäden dort kennen gelernt, nachdem ich ja letzten Januar bereits das von Trinidad besuchen musste. Es ist zum Glück nichts gebrochen, jedoch hat mir der Arzt eine Woche Bettruhe und absolutes Belastungsverbot verordnet, was für mich eine ziemliche Herausforderung wird.Nun liege und sitze ich also vor allem herum, laufemit Krücken umher und muss mir etliche Sprüche anhören von den KubanerInnen. ;-)
Am Montag und Dienstag hab ich auch meine ersten richtigen Regentage in Cuba erlebt. Ich wurde morgens um 6 Uhr durch ein riesen Gewitter mit starkem Regen und Blitz und Donner geweckt. Es hat dann den ganzen Morgen über immer wieder heftig geregnet. Angeblich regnete es seit einem Jahr nicht mehr richtig in Santiago! Santiago ist der wärmste und trockenste Ort in Cuba. Was mich erstaunte: da es regnete, gehen die Kinder nicht zur Schule und die meisten Leute gingen auch nicht zur Arbeit. Sie könnten ja unterwegs nass und dann krank werden!! Ich musste lachen, da würden wir in der Schweiz ja andauernd nicht zur Arbeit bzw. in die Schule gehen.
Letzthin hab ich es endlich geschafft, meine ersten Muffins zu backen. Ich hab mich entgegen der Empfehlungen der Kubaner doch an das „schlechte" Mehl gewagt, und siehe da, die Küchlein kamen super raus und bei den KubanerInnen super an. Sie verlangten sofort nach mehr, so wiederholte ich die Backaktion zwei Tage später, backte auch noch Zopf. Auch der kam sehr fein raus. Die Kubaner schlugen mir vor, ein Geschäft zu machen mit den Küchlein. Mal schauen, vielleicht wird das ja ab Juni dann meine Tagesstruktur. Ausgaben und Ertrag müssten jedoch noch optimiert werden und die verfügbaren Lebensmittel muss ich genau studieren, bevor ich mich ans Backen grösserer Massen wage.
Bezüglich Essen habe ich in der Zwischenzeit übrigens auch mal Kartoffeln erhalten auf dem Markt, dies war ein richtiges Freudenfest, obwohl sie verhältnismässig sehr teuer waren. Die Rösti schmeckte extrem lecker. Mein Schweizer Essen vermisse ich schon jetzt, natürlich hat auf der Bestellliste für meine Eltern, die nächste Woche nach Cuba fliegen, Schokolade und Käse nicht gefehlt. Und obwohl ich in der Zwischenzeit doch so ziemlich hier in Cuba angekommen bin, und in Santiago schon ein wenig ein „Zuhause"-Gefühl entwickelt habe, vermisse ich euch alle immer wieder mal sehr. Daher freu ich mich immer sehr von euch zu hören.
Am 16. Februar werde ich nach Havanna reisen, wo meine Eltern, Onkel und Tante zu Besuch nach Cuba kommen. Ich freu mich auf die knapp drei Wochen Rundreise durch Kuba mit ihnen und werde mich wohl erst nach ihrer Abreise, Mitte März, wieder über diesen Kanal melden mit News.
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