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hallo sao paulo - nach einem unspektakulären aber zum glück problemlosen flug endlich angekommen in der stadt, die als "das new york von südamerika" gilt und die von den bewohnern liebevoll sampa genannt wird. oder schlicht SP.
zumindest schon mal am flughafen. und schon düse ich mit meiner chefin lilian im auto über die autobahn, und das gefühlt stundenlang. um uns herum zucken blitze u die luft ist wie in einer dusche. dass ich in brasilien bin, kann ich erst so richtig glauben als auf einem autobahnschild statt "hannover" oder "hamburg" jetzt "rio de janeiro" steht. was mich irritiert: es ist schon dunkel. um 18h30! auch ansonsten ist hier alles anders und verrückt. megainteressant und erschreckend. aufregend und verstörend. anstrengend und herrlich. alles auf einmal. ich kann die ganzen eindrücke gar nicht verarbeiten. zuviel input. zuviele informationen. nach 48 std hab ich das gefühl, ich bin seit wochen hier.
schon die wohnung ist gewöhnungsbedürftig. die dusche wird mit stromkabel betrieben. erstmal erleichterung! es gibt warmes wasser. ich habe mich innerlich schon auf das schlimmste eingestellt! also schnell den flugzeugschweiss mal abbrausen. aber mit dem hinweis: nicht an die kabel fassen... ausserdem kein klopapier ins klo werfen...willkommen in brasilien.
zeit zum nachdenken habe ich nicht. schon lerne ich mitbewohnerin #1 kennen: stefanie, die als aupair in koblenz deutsch gelernt hat. schon steht meine chefin wieder vor der tür. sie holt mich zum essen ab. natürlich im auto. jeder fährt auto sofern irgendwie finanziell möglich. wer läuft oder bus fährt ist entweder arm oder verrückt. oder beides. wer rad fährt auf jeden fall letzteres. aber da verrückt ja auch irgendwie hip ist, legt man radwege an, einfach indem man ein stück strasse mit roter farbe abteilt. aber nur sonntags für radfahrer frei! unter der woche braucht man jeden zentimeter für autos. die alle verdunkelte scheiben haben. damit man nicht sieht, ob eine frau im auto sitzt. oder eine person alleine. das ist zum schutz erklärt man mir. die gefahr für einen überfall an der ampel oder beim nachhausekommen ist zu groß. überhaupt sollte man sich nicht von jemand ansprechen lassen. "gar nicht anhalten. weiterlaufen!" mahnt mich meine chefin lilian. ich bin irritiert: "und wenn jemand nur nach dem weg fragen will?" "soll er jemand anders fragen!" ok, ich verstehe.
das alles lerne ich in ein paar autominuten. weiter ist es nicht in die kneipenstrasse von sao bernado do campo, in dem stadteil wo ich wohne und arbeite und wo wir essen gehen. die schule ist nur 10-15 minuten zu fuß entfernt. herrlich. keine nervige u-bahn am morgen. nächste ansage von lilian: "abends gehst du nicht allein von der schule nach hause, du gehst mit den anderen lehrern." soviel dazu..
sicherheit ist wohl das größte thema in dieser stadt, wo man die meiste zeit des tages kein geld am automaten abheben kann, weil diese aus sicherheitsgründen abgestellt sind. wenn man geld braucht, hat man pech. ich schaffe es erst nach fast einem tag im 5. anlauf auf der avenida paulista (der größten strasse sampas). hurra, meine ersten reais, die ausehen wie kindergeld, mit vielen tieren drauf.
am ersten abend lerne ich noch mitbewohnerin #2, aline kennen. auch sehr nett.
am nächsten morgen scheitere ich daran, den rolladen zu öffnen. ein seltsamer mechnismus, aline muss helfen. da bemerke ich zum ersten mal die gitter vor den fenstern. das verstört mich und ich untersuche alle fenster. erleichtert stelle ich fest, dass im wohnzimmer keine gitter vorm fenster sind. das fenster geht in einen mini-innenhof. keine ahnung zu welcher wohnung der gehört. da ich die irre vision habe, bei einem notfall mal durchs fenster flüchten zu müssen, teste ich ob sich das fenster öffnen lässt. leider übersehe ich dabei, dass in dem hof ein eisengitter am der wand lehnt, welches ich beim öffnen mit dem fenster mit megagetöse umkippe. die nachbarn sind dann wohl wach. zum glück sind meine mitbewohnerinnen schon weg...ich will raus auf die strasse um auf meine chefin zu warten. die will mir schule und zentrum von sao bernado zeigen. ich nestel erst mal am schloss von der eisernen gittertür herum, die unseren hof von der strasse trennt. da hängt sich aus dem häuschen neben der tür der portier aus dem fenster und erklärt mir den trick, wie man die tür aufbekommt. "du bist die neue bewohnerin aus deutschland, oder?" äh, ja.
das centro von sao bernado ist hässlich. und das ist ein wort das hier wunderbar für so vieles passt. ich habe noch nie im leben so viel erbaute hässlichkeit gesehn! gott weiß, wer das entworfen hat und bestraft hoffentlich denjenigen, der die baugenehmigung gegeben hat! das dumme ist, dass man ständig was gezeigt bekommt und das dann kommentieren soll. und man will nicht unhöflich sein. folge: die schwelle für "oh wie schön" sinkt dramatisch. würde man damit warten bis wirklich was schönes kommt - man müsste dieses wort in bezug auf gebäude fast aus dem wortschatz streichen. beschreiben kann man diesen anblick hier nicht. dazu kommt, dass es zum teil extrem bergig ist. das heisst nach jedem hügel, hinter jeder kurve ändert sich das panorama. die stadt ist nicht zu überblicken. ich fühle mich zum ersten mal im leben orientierungslos. alles sieht gleich aus. eine mischung aus plattenbausiedling und industriegebiet. hochhäuser, willkürlich angeordnet tauchen immer wieder vor einem auf. und jedes ist auf seine weise hässlich. und teuer. im hochhaus wohnen ist schick. dort gibts einen pool. einen gymnastikraum. einen riesen balkon. eine tiefgarage und einen wächter, der jedes auto, das in die garage fährt kontrolliert. aufzüge funktionieren mit einem nummerncode. alles ist voll mit kameras. sicherheit kann man hier kaufen - für viel geld. wer noch mehr davon hat, hat seine garage auf dem dach. dort steht der privathubschrauber. so vermeidet man im stau stehen. einzelhäuser mit kleinem garten stehen verloren immer mal wieder zwischen diesen blocks. die haben nicht nur gitter und alarmanlage, sondern auch elektrozäune. zu unsicher, deshalb zieht ins hochhaus, wer es sich leisten kann. eigenheim mit garten ist zu gefährlich. verkehrte welt. für einen europäer wohl nicht zu begreifen.
wir fahren in ein parkhaus. dort steht im eingang eine rezeption mit wartebereich. meine chefin steigt aus. ein mitarbeiter kommt zu unserem auto und hält mir die tür auf. ich steige verwirrt aus. dann bekommt er den schlüssel, meine chefin eine nummer, das auto ein hütchen mit der gleichen nummer und dann fährt der mitarbeiter das auto zum parkplatz. jetzt begreife ich, was der wartebereich soll. wenn man sein auto wieder abholen will und viel los ist, kann man es sich auf den bänken bequem machen. und ich begreife langsam, dass es in diesem land schick ist, so wenig wie möglich selbst zu machen, solange man es an andere abgeben kann.
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Thorsten Wünsch dir eine super-tolle Zeit :) Schick dir mal ganz liebe Grüße
Janina Danke für deine Eindrücke und Bussi aus Muc ! Janina