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Wir wollten das Abenteuer. Jetzt haben wir es.
Der Klinikalltag beginnt für uns jeden Morgen um 8:30 im Vaiola Hospital. Peter fährt uns zusammen mit Matthias (übrigens kein Arzt, sondern Student ein Semester unter uns) jeden morgen umsonst hin und holt uns wieder ab. Überraschenderweise sind auch alle Tonganer schon um 8:30 da, aber bis es mal richtig losgeht und alles vorbereitet ist, vergeht schon nochmal mindestens eine halbe Stunde. Alle sind sehr gechillt drauf - oder faul - wie auch immer man das nennen will. Dr. Amanakis Vertreterin ist Sesilia. Sie ist „Pathologist", aber auch Zahnärztin und ihre Arbeitsmoral spiegelt ziemlich genau die Einstellung wider, die hier in Tonga jeder hat. „You can do that tomorrow or the day after tomorrow or next week" (nur nicht heute). So dauerte es auch ziemlich lange, bis wir endlich den Brief für das Immigration Office für die Verlängerung unseres Visums in den Händen hielten. Auch Ofa, die Sekretärin, ist ein bisschen schwer von Begriff. Aber immerhin buchte sie uns unsere Flüge nach Vava'u. Am 4. März fliegen wir zusammen mit Matthias dorthin.
Wir wurden am ersten Tag sowas von ins kalte Wasser geschmissen, weil wir erstens nicht wussten, welche Materialien es gibt bzw. nicht gibt und wann man wie entscheiden soll ohne grundsätzlichste diagnostische Mittel, wie Röntgen und Kältespray, zur Verfügung zu haben. Es tut halt schon etwas weh, einem 6 jährigen Mädchen einen nagelneuen Backenzahn zu ziehen, nur weil man den Nerv einmal kurz gestreift hat. Im Allgemeinen ist es grausam, weinende und schreiende Kinder zu behandeln. Wir wollen dann am liebsten auch weinen und schreien - und weglaufen.
Unsere Entscheidungen beurteilt hier niemand. Wenn wir finden, der Zahn muss raus, dann kommt er raus. Das ist schon krass. Wir haben deshalb noch etwas Hemmungen (v.a. Bei Kindern) und haben bisher eher Füllungen und Wurzelkanalbehandlungen versucht - allerdings ohne Röntgengerät und aufgrund der unsterilen Situation auch ohne große Erfolgsaussichten (wobei den Tonganern das eh eher wurscht ist - sie kommen erst dann, wenn sie die Schmerzen gar nicht mehr aushalten, also eh eigentlich schon alles zu spät ist, und dann wird auch nur die Schmerzursache behandelt. Auch wenn andere Zähne noch so sehr zerstört sind.).
Es gibt einen akuten Mangel an Feilen für die Wurzelbehandlung, weshalb alle Feilen für jeden Patienten benutzt werden und zwar so lange, bis sie kaputt gehen. Spülen kann man nur mit Natriumchlorid. Und Füllungsmaterial haben wir auch nur, weil Matthias' Spenden schon mit der Post angekommen sind. Kurz gesagt: man kann hier absolut nicht so behandeln, wie wir es in Deutschland gelernt haben, weil es die Situation einfach nicht zulässt. Aber wir lernen, Entscheidungen zu treffen und diese auch durchzuziehen, selbst wenn sie falsch sind.
Desinfektion ist auch so ein heikles Thema. Nach jedem Patienten wird mit einem in Alkohol getränkten Wattebausch alles grob abgewischt und die Sauger werden mit Wasser aus dem Hahn durchgespült. Zumindest gibt es einen Sterilisationsraum. Was da allerdings genau gemacht wird und ob das so funktioniert, dass danach alles keimfrei ist, weiß wohl niemand. Es ist hier offensichtlich auch völlig unbekannt, dass durch Blut und Speichel Krankheiten übertragen werden können. Blutige Feilen werden in einen schwamm gesteckt und direkt am nächsten Patienten weiterverwendet. Desinfektion wäre hier nun wirklich übertrieben...
Unser „Supervisor", also unser Helfer, ist Nae. Er ist nett, aber unglaublich faul. Wenn man etwas braucht, muss man ihn dreimal bitten es zu holen. Auf halbem Wege hat er's dann wieder vergessen. Er sitzt lieber den ganzen Tag rum und schaut uns zu, so wie ca. 8 andere Leute, Ärzte wie Helfer. Aber Nae hat uns zumindest schon mal einen wertvollen Tip gegeben: Und zwar, dass man nach jedem Patienten die Handschuhe wechseln muss! Danke Nae, da wären wir ohne dich niemals draufgekommen!;-)
Insgesamt haben wir in den drei Behandlungstagen, folgendes gemacht: Füllungen, Wurzelbehandlungen, Kinderbehandlungen, desolate Gebisse bestaunt und 3 zerstörte Zähne gezogen.
Ab 12 uhr ist bis halb 2 Mittagspause. Bisher waren wir da immer beim Chinesen gegenüber essen. Da dieser aber gern man doppelt so viel Fett wie nötig reinhaut, werden wir in Zukunft eher woanders hingehen. Zum Beispiel in einer der vielen Bakeries, die übrigens sehr gute (und billige) Sachen haben. Die Behandlung nachmittags geht immer so bis um 16:30 - wobei da eigentlich nicht mehr viel los ist.
Nach der Klinik sind wir bisher jetzt immer nochmal in die Stadt gefahren (übrigens doch wieder mit dem Bus des Grauens, an den wir uns langsam gewöhnen;)), z.B. um unser Visum endlich zu beantragen. Da es in Tonga genauer zugeht, als wir erwartet hatten, brauchten wir dafür ein Passfoto, das wir in einem hochprofessionellen tonganischen „Fotostudio" anfertigen ließen. Als Hintergrund verwendete die Fotografin ein dreckiges Leinentuch. Nach 20 Minuten entwickeln bemerkte sie, dass die Fotos verwackelt waren und musste neue machen...
Ansonsten waren wir in der Stadt bisher im sehr schönen „Friends"-Café. Ein etwas europäisch angehauchtes und deshalb auch recht teures Café, in dem man aber sehr gut trinken und essen kann. Hier und in der Reload-Bar gegenüber sieht man des öfteren andere Palangis („weiße Fremde"). Dort ist es ebenfalls sehr gemütlich. Und das tollste daran: Hier hat man freien unbegrenzten WLAN-Zugriff. Was nicht bedeutet, dass es immer funktioniert...
Dort waren wir auch gestern (Samstag) Abend, um noch ein bisschen was zu trinken und ins Internt zu gehen. Wir merkten schnell, dass die Tonganer ein sehr feierwütiges Völkchen sind. Sehr trinkfreudig und seeehr! laut. Anschließend gingen wir in eine Tanzbar, in der es von Ladyboys nur so wimmelte. Es war sehr lustig, da diese noch 10mal schwuler drauf waren, als z.B. Moné.
Etwa um halb 12 wollten wir uns dann eigentlich ein Taxi nach Hause nehmen, da um diese Uhrzeit die Gehsteige in Nuku'alofa hochgeklappt werden und alle nach Hause gehen. Warum? Weil ab 12 Uhr Sonntag ist und dann gar nichts mehr geht, damit alle am Morgen brav zur Kirche gehen. Nachdem wir ca. eine halbe Stunde in der Hoffnung auf ein Taxi zu treffen durch die Stadt geirrt waren (gottseidank war Matthias dabei...), erfuhren wir von den Einheimischen, dass die Taxis samstags um diese Uhrzeit nicht mehr fahren - auch wegen Sonntag. Nach weiterem Umherirren bekamen wir ein recht wertvollen Tipp von 2 Chinesen und einem besonders dicken Tonganer: Wir solltens doch mal auf der Polizei probieren. Da wir keine andere Wahl hatten riskierten wirs und liefen auf die Polizeiwache, wo die Cops dort uns auch noch einmal bestätigten, dass bis Montag keine Taxis mehr fahren würden. Sie erklärten uns auch, dass es wegen der vielen Besoffenen auch zu gefährlich wäre, einfach zu Fuß heimzulaufen. Dann beratschlagten sie ca 10 Minuten auf tonganisch irgendwas und boten uns schließlich tatsächlich an, uns heimzufahren!( Unsere 20 dollar Schmiergeld machten sich sicher auch nicht schlecht;-) So landeten wir also auf dem Rücksitz des Polizeigefährts. Eine besoffene Verrückte ergriff kurzerhand ebenfalls diese Gelegenheit und sprang zu uns auf die Rückbank. Sie erzählte uns ihr halbes Leben, von dem wir aber nur ein paar Worte verstanden (prison, jail, teeth) und hatte die ganze Fahrt über ihren Arm um Vicky gelegt, die das eher mäßig angenehm fand.
Der Beamte ließ uns direkt bei Toni raus, was für uns bedeutete, dass wir noch etwas 500 Meter zu unserem Appartement laufen mussten. Wir hatten zwar eine Taschenlampe dabei und der Mond schien ziemlich hell, aber trotzdem schoben wir leichte Panik, da wir tagsüber schon ein paar Probleme mit der berühmt berüchtigten Hundegang gehabt hatten. Die Hunde, die hier wohnen (wir wissen nicht, ob sie wild sind oder jemandem gehören) haben sich nämlich zu einer Clique zusammengeschlossen und haben Spaß daran kleine weiße deutsche Mädchen zu ärgern! Samstag morgens hatte Vicky nämlich schon versucht zu Moné ins Büro zu gelangen, um dort in Skype zu gehen, kam aber nach 5 Minuten ohne Erfolg zurück, da die Hundeclique sie nicht in die Straße zum Office einbiegen lassen wollte.( das ist schon etwas gruselig, wenn sich vor einem 5 Promenadenmischungen aufbäumen und die Zähne um die Wette fletschen. Tonic und Hardy sind lächerlich dagegen:) Mit Daphne und zwei Pfannen bewaffnet versuchte sie es schließlich nochmal - da waren die Hunde natürlich inzwischen weg. Moné wunderte sich über die Pfannen und erklärte, dass es reiche, wenn man so tue, als würde man einen Stein aufheben und nach den Hunden werfen. Nachmittags bekamen wir die Gelegenheit diesen Tip auszuprobiern. Die Hundeclique hat sich totgelacht und wir sind geflohen!
Das war also der Grund unserer nächtlichen Panik. Diesmal kamen wir gottseidank hundefrei zu Hause an und fielen nach diesem verrückten Tag erledigt ins Bett.
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Ra la Phel Machen Taxis normalerweise nicht gerade samstagnachts soviel Umsatz wie die ganze restliche Woche über (ausgenommen freitags)? Hm... Geld scheint die Fahrer nicht zu motivieren :-) Die Hunde-Gang hört sich bedrohlich an. Vielleicht versucht ihr's mal mit Trillerpfeifen, Kokosnuss-Schleudern... oder verkleidet euch als Bären, Wölfe oder sonst was Gefährliches. Oder ihr nehmt immer nen Knochen mit und werft den dann in eine Ecke, um, während sich alle Hunde darauf stürzen und sich selber zerfleischen, auf der anderen Straßenseite vorbeizuhuschen.
Sandrine ...ooooojemine ich würde sterben ;) da krieg ich ja vom Lesen allein schon Gänsehaut bei den vielen possierlichen Tierchen ;) auf nen Stein würd ich mich da nicht verlassen, dann schon eher die Pfannentaktik hehe ;) weiterhin ganz viel Spaß im Abenteuerland, liebe Grüße aus dem tiefsten Bayrischen Wald :)))
Ali Hey meine Lieben, eure Geschichten sind einfach schön zu lesen:) Eine kleine Abwechslung in dem kalten Grau hier... Die Einheit sieht ziemlich gut aus und fortschrittlicher als die der Uni HD;) Ich wünsch euch weiterhin ganz viel Spaß, überarbeitet euch ja nicht und laßt's euch gut gehen!!!
Jenny und Manfred Hallo ihr beiden, bin jedes Mal gespannt, was ihr so erlebt und es ist wirklich aufregend. Einen Tip für eure " Hundefreunde " besorgt euch einen Holzknüppel und nehmt den mit. Manfred hat auch immer einen im Auto dabei für Notfälle. Allerdings sind Hunde im Rudel immer mutiger als allein. Passt gut auf euch auf !
Anton und Petronella Vojta Ich, Dida Toni, habe mich angeboten zum Kofferträger, hätte auch Reiseführer machen können. Bin abgelehnt worden. Jetzt weiss ich auch warum. Weil ihr schon einen Toni habt, der euch führt. Beim betrachten der Fotos und Video bekomme ich das Fernwehreisevirusfieber zum spüren und beneide euch. Fühlt euch wohl und geniesst das derzeitige Dasein . Liebe Grüße von Baka und Dida.
Anne Spätestens bei der Sache mit den Hunden hätt ich die Koffer gepackt, denn das geht ja gar nicht.Ich hoffe, ansonsten geht es euch gut und die Reiseapotheke kam noch nicht zum Einsatz;-) Ganz liebe Grüße Anne