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Dienstag,14.02.: Für den heutigen Tag stand das letzte Ziel meines Kapstadt-Aufenthalts an, der Tafelberg. Bereits um 9 Uhr wollte eine Gruppe aufbrechen, so was es geplant, doch als ich der Einzige war, der zu dieser Uhrzeit im Eingangsbereich bereit stand (Wanderstiefel an den Füßen, Fernglas im Rucksack, Feldflasche in der Hand), befürchtete ich, zu spät zu sein und mir etwas Neues überlegen zu müssen. Ein weiterer Gedanke suchte mich heim, ich muss mich um meine Kreditkarte kümmern und dafür ein Telefonat nach Deutschland führen, was mich mal wieder einige Euro kosten wird. Doch da kam schon ein Wandertrupp, zwei weibliche Ösis, ein US-Boy und die beiden Rezeptionsdamen (das Wort lässt auf 60 jährige Frauen schließen, tatsächlich waren beide nicht älter als 30), von denen eine die bereits genannte Hamburgerin ist. Ähnlich gut ausgerüstet, schnappten wir uns alle ein Taxi und fuhren zum Fuße des Berges, den es in weniger als 2 Stunden zu bezwingen galt. Vom Ausgangspunkt unserer schweißtreibenden Wanderung hatten wir einen majestätischen Blick auf die Stadt am Kap, auf den Hafen, das Stadion, die ganze Stadt. Einfach wundervoll! Hier startet auch die Seilbahn zum Gipfel, doch diese nehmen wir nur für den Rückweg und sparen immerhin 100 Rand. Der Weg begann steinig und steil, die folgenden Minuten nur noch steiniger und steiler. Ein halsbrecherischer Pfad, auf dem ich an einigen Stellen daneben trat und gar nicht mal so ungefährlich an der Kante zum Abgrund balancieren musste. Ungefähr jede Viertelstunde warteten wir vier fitten und jungen Sprinter an die 10 Minuten auf die beiden Büroarbeiterinnen, welche diese Art von Arbeit scheinbar nicht zum Alltag zählen, was uns gar nicht erst zu einem richtigen Rhythmus kommen ließ. Ich wurde zum Ausreißer und spurtete die Felswand hoch, den Gipfel immer im Blick, bei Gelegenheit auch mal ein Blick nach hinten, auf die Stadt. Ich wusste nicht, ob es der Hunger war, den ich zu den blödesten Zeitpunkten verspüre, der mir eine Illusion bereitet, ob es die zunehmend dünnere Luft war, welche einen Streich spielte oder meine schlechten Ohren den Wind etwas falsch verstanden, denn aus den Bergen kamen Klänge, wie von einem Handy aus den frühen 2000ern. Ein Klingelton, ein Xylophon, ein sehr eigenartiges Treiben. Ich kam der Quelle des Geräusches immer näher, hielt die Augen nach einem Handy offen und war echt baff, als ich einen Afrikaner in einer kleinen Einbuchtung vor der Steinwand sitzen sah, der wirklich auf einem Xylophon spielte. Sein gelbes Shirt und die Sandalen ließen ihn nicht wie einen Wanderer wirken oder gar einen, der Musik auf dem Tafelberg macht. Dies war der rechte Platz, um einen Halt einzulegen, meine Verfolger aufschließen zu lassen und erneut den Ausblick zu begreifen, zu realisieren, mehr als 9500 km von Hamburg entfernt zu sein. Gerade eine Woche bin ich unterwegs und habe bereits so viel gesehen, gehört,erlebt. Welch ein Privileg, ich danke meiner Mutter!! :)
Vom Musikanten bis zum Ende Weges waren es nochmals 15 Minuten und DANN dachte ich nochmal: WOW! Ich kann gar nicht sagen, was ich alles gesehen habe, was ich dachte, ob ich grinste oder ein ausdrucksloses Gesicht hatte. Ein bisschen entspannter Rumlauferei auf dem Kopfe des Table Mountain, der eine Höhe von 1087 Meter hat, Fotos zum Beweis meines Ausfluges und die letzten Meter dort oben zum Cable Car. Mit diesem ging es zurück auf den Boden der Tatsachen, in ein Mini-Bus, der definitiv von einem Surfer gefahren wurde, was sich aus Stickern, der Musik, seinem Erscheinungsbild und weiteren Indizien herauskristallisierte. Ein relativ entspannter Typ mit einer ähnlichen Fahrweise, kein Vergleich zum schrecklichen Taxifahrer des Hinweges. Von da an galt meine ganze Aufmerksamkeit meiner „Kreditaffäre", die ich hoffentlich schnell bereinigt bekomme. Doch es kam alles anders: Ich schnappte mir mein Handy mit etwa 50€ Guthaben, wählte eine Münchener Nummer und hatte irgendeine Abteilung irgendeines Instituts am Apparat. Nach einem minutenlangen Abgleich meiner Daten mit den Daten des Herrn Pascal Usnarski, der ich natürlich erst bin, wenn ich Adresse, Geburtstag, Geburtsort, Kartennummer von Kreditkarte und Mastercard und meine Lieblingsfarbe nenne, drei Saltos mache und einen Sprung ins kalte Wasser tätige.... Dann der Abgleich der Daten mit Uhrzeit, zu denen Geld abgehoben wurde. Die Ersten stimmten ganz klar überein, doch dann wurde ich hellhörig und warf meine Stirn in Falten. „2000 Rand am Samstag Abend, daran kann ich mich nicht erinnern!", sagte ich. Die Frau fuhr erschreckend fort: „ Weiterhin wurde versucht, 500 Rand abzuheben, dies an drei Automaten mit zweimal falscher Pin." Ok, war ich nicht dabei oder weshalb weiß ich davon nichts?! Ich hob am Samstag Geld ab, an drei Automaten habe ich es versucht, zweimal war meines Urteils nach der Automat kaputt, denn die Tasten funktionierten nicht. Blöd: Um meine Karte wieder aus dem Automaten zu bekommen, musste ich meine Pin eingeben. So was gibt es in Deutschland nicht, da bin ich mir sicher! Dies würde die Geschichte der Auszahlung mit falscher Pin erklären,am dritten Automaten einer anderen Bank bekam ich mein Geld, allerdings waren es nur 200 Rand (20€), die ich verlangte. Sehr merkwürdig und langsam fing ich an, nicht mehr durchzublicken. Ich versuchte, das Gespräch so kurz wie möglich zu halten, da ich mir der horrenden Preise eines solchen Telefonats bewusst war, doch darüber musste ich mir keine Gedanken mehr machen, als es zweimal tutete und das Gespräch nach knapp fünf Minuten vorbei war. 50€ für fünf Minuten, verdammte Kacke! Einschub: Somit war ich nach nicht ganzen 10 Minuten Telefonie des Vortages und des heutigen Tages um 100€ gebracht worden, wieso ist solch eine Gräueltat, so ein Raub auf höchstem Niveau nur erlaubt? Ich hatte keine endgültige Klarheit über das weitere Vorgehen oder ob ein Missbrauch meiner Karte stattgefunden hatte. Ich musste schnell handeln und entschied mich für die wahrscheinlich teuerste Variante, die mir in diesem Augenblick noch blieb. Ich benutze das Telefon der Rezeption, wählte die Nummer nochmal und hatte eine ganz andere Person am Hörer. Na toll, der ganze Spaß mit den Daten von vorne. Das einzig hilfreiche hierbei war, dass ich wusste, was alles abgefragt werden würde und ich einfach lossabbelte. Geboren am, in, Kartennummer ist, blabla. Ich fragte gezielt nach der letzten Abhebung. „Heute, 11 Uhr, Johannesburg." WAS? „Restbetrag: 0,43 Cent." Das ist nicht wahr! GRRRRR!!!!! So ein verdammter SH**!! F***! **********!!!!!!!!!!
Die Karte war bereits gesperrt, viel blieb mir also nicht zu Auswahl. Ich schloss das Konto endgültig und beklagte den Missbrauch, eine Summe von fast 400€ wurde geraubt. Ein unangenehmes Gefühl, ausgetrickst worden zu sein, so eine private Sache in irgendeiner Form preisgegeben zu haben, bestohlen, beschattet, verfolgt und weiß ich nicht was, zu sein. Sehen sie mich? Sieht mich jemand aus dem Weltall mit einem Hyper-Teleskop? Hören sie meine Telefonate ab? Wer wartet an der nächsten Ecke auf mich? Wie soll es für mich weitergehen, ein Leben auf der Flucht?
Wohl kein Staatsfeind Nummer1, jedoch etwas zum Verwechseln ähnliches aus Sicht der blöden Diebe, das wäre dann wohl ich.
Nun gut, der Schmerz wurde mit netten Worten einiger Backpacker gelindert, schon hieß es für mich, das Pferd zu satteln und zum Airport zu traben. Mit einem Shuttle vom Hostel zum Flughafen wählte ich die bequemste Art und Weise, mitunter auch die teuerste für 140 Rand. Angekommen, ging ich schnurstracks zur Polizei, knallte meine Story auf den Tisch und wollte einige Festnahmen sehen. Weit gefehlt. So sehr sie es auch bedauerten (sehr glaubwürdig), die Damen und Herren des Kommissariats sagten mir, ich solle in Johannesburg zur Airport-Polizei gehen, da die Cape Townians ohnehin Kontakt zu den örtlichen Zuständigen herstellen müssten, da auch dort alles geschah. Ich spazierte ein wenig durch den Terminal, schrieb noch Postkarten und wartete meinen Flieger ab. Auf dem kurzen Flug zerbrach ich mir den Kopf über die ganze Sache, ob ich nun froh sein sollte, dass meine Konten separat geführt werden und somit nicht alles Geld weg ist, oder ich mich aber ärgern und wie ein Sturkopf schlecht gelaunt sein sollte. Ich entschied mich für einen Kompromiss: Im Flugzeug schlechte Laune, nach der Landung geht's guter Dinge weiter, denn ich stehe noch am Anfang meiner Reise und sollte diese nicht von solchem Pech überschatten lassen. Außerdem besteht die Hoffnung, das Geld zurückzubekommen, denn es sollte sich hoffentlich beweisen lassen, zur Tatzeit nicht am Tatort, nicht mal in der Stadt, gewesen zu sein. Zurück in Joburg (hatte ich schon erwähnt, dass Johannesburg mitunter die grünste Stadt ist, in der ich jemals war?), bahnte ich mir meinen Weg durch etliche Reisende zur Polizeistation, wo ich zur feierlichen Uhrzeit von 23 Uhr erneut mit meinem Problem zur Höchstform auflief. Ich holte aus, erzählte lebhaft und schwungvoll, Mimik und Gestik waren sicherlich imposant, doch das alles half kein bisschen. „Was sollen wir tun? Wenn wir deine Anzeige aufnehmen, müsstest du für Ermittlungen immer wieder nach Südafrika kommen. Das willst du nicht, das wollen wir nicht. Geh mit deinem Problem nach Deutschland und erzähle der Polizei dort, was passiert ist.", waren die Worte des Höchstrangigen. Just in diesem Moment malte ich mir die Szenerie aus, in Deutschland zur Polizei zu gehen und so anzufangen: „Also, vor ungefähr einem halben Jahr..." - lautes Gelächter...
Ganz klar brauche ich etwas, um meine zeitnahe Berichterstattung nachweisen zu können. Ich kann keine Anzeige erstatten, dafür erhielt ich einen Wisch von einem Zettel, mit einer Schrift wie bei den Schlümpfen, in denen eigentlich nur der Name HASPA deutlich und gut leserlich ist. Wenigstens sind Stempel nicht handschriftlich. Ich hatte es ohnehin nicht mit Monk, Horacio Kane oder Jan Fedder alias Dirk Matthies zu tun, mein nächstes Reiseziel Buenos Aires erwähnend, fragten die Polizisten mich verdutzt, was ich denn in Brasilien will. Ist klar! Kurzer Überblick meines weiteren Reiseverlaufes und dann wollte ich mich Richtung Sitzbank im Terminal verabschieden. Die Check-In-Schalter waren geschlossen, erst am nächsten Morgen konnte ich mein Gepäck aufgeben. Noch elf Stunden Warterei, ich kam aus dem Lächeln gar nicht mehr heraus. Einer der Polizisten, der einzige Weiße, der wie Rüdiger Hoffmann aussah, bestellte einen Kollegen per Funk, der mir einen sicheren Schlafplatz im Flughafen zeigen sollte. Als der dann auch wenig später eintraf, redete er kurz mit Rüdiger und verschwand wieder. Ich stand doof da, sah den 'Comedian' auf mich zukommen und traute meinen Ohren nicht: „Wir können die eine Zelle anbieten. Es ist nicht die schönste Unterkunft, aber immerhin sicher." Ein weiterer 'WAS'-Schrei in meinem Kopf, ein ungläubiges Stirnrunzeln und ein verlegenes Grinsen. „Gut, ich mach's.", waren die Worte, die mich ins Leben eines Gesetzesbrechers katapultierten. Eine Zelle, 3x3 Meter, ein Betonblock, auf der eine olivgrüne Matte mit aufgetackertem und halb abgerissenem Filzbezug lag, grelles Licht, das in der Nacht selbstverständlich nicht ausgeschaltet wird, eine Blechtoilette, ein Waschbecken, das immerhin zum Zähneputzen reichte und Wandbemalung von Bösewichten. Ich hoffte auf Unterhaltung, die war allerdings schnell vorbei, als ich realisierte, dass es nur dummes Gekritzel war. Hier soll ich also schlafen, ein schönes Erlebnis. Freiwillig im Knast. Ich setzte mich also vor mein Netbook, schrieb am Blog weiter und hörte ein wenig Musik. Nach einer halben Stunde zog ich mir die Schlafmaske über die Augen und lauschte den lauten Gesetzeshütern, die einen lauten Ton drauf hatten,meine Güte! Plötzlich knarrte meine Zellentür, ich wurde angeblafft und sah einen riesigen Polizisten vor mir. Was habe ich falsch gemacht? Hilfe! Er befahl mir, meine Sachen zu packen und aus der Zelle zu verschwinden. Ich war so erschrocken, ich wusste gar nicht, was ich sagen sollte. „Ich darf hier schlafen, hat der Weiße mit der Glatze gesagt! Was ist das Problem?", versuchte ich, Mr. Anabolika zu beruhigen. Er guckte mich an und von einer Sekunde auf die andere hatte er das Gesicht eines Buben, der seine Omi nach einem Euro fragt. Er hatte mich verwechselt, denn in einer anderen Zelle befand sich eine weitere Person, und zwar der gesuchte Sträfling. Er entschuldigte sich, gab mir die Hand und schlug so ein, wie ich es aus Soweto kannte. Dazu sagte er die Worte 'Harmony, Peace, Love'. Die Faustknöchel aufeinander drückend das Wort 'Friendship'. Ich nahm die Entschuldigung an und verabschiedete ihn mit dem Peace-Zeichen zweier Finger aus meiner Zelle.
Ich vergaß zu erwähnen, dass ich nach der gestrigen Weintour ziemlich angeduselt in den Bus gestiegen bin, mit leichtem Gleichgewichtsdefizit und einem Pochen im Kopf verließ ich das Weingut.
Jetzt aber, Schlafenszeit.
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