Profile
Blog
Photos
Videos
Donnerstag,01.03.: Da mein nächstes Ziel der Stadt ganz klar der Zuckerhut oder auch portugiesisch 'Pao do Acucar' war, verabredete ich am Vortag eine Mitfahrgelegenheit mit Cesar, dem Superior, der mich dann auch am Vormittag mitnahm. Durch viele Straßen der Stadt ging es, viele verschiedene Viertel mit unterschiedlichsten Farben, nochmals vorbei am Sambódromo und unter den Lapa-Bögen, Leuten und Eindrücken, oft konnte man den Zuckerhut in der Ferne erblicken oder interessante Bauwerke passieren. Am Wunderwerk der Natur angekommen, zahlte ich knappe 25 Euro für die Gondelfahrt, die nur wenige Minuten dauerte und auf die erste Station führte, die sich auf dem Berg vor dem Zuckerhut befindet. Von dort mit Gondel Nummer zwei hoch zur phänomenalen Aussicht. In der Gondel stand ein Kameramann in Begleitung eines Reporters, der während der Fahrt schon in die Kamera berichtete, nur leider verstand ich nicht, worum es ging. Oben dann die Aufklärung: Heute hatte Rio de Janeiro Geburtstag und weil ich das Reporter-Team nahezu verfolgte, durfte auch ich in die Kamera sprechen und der Stadt alles Gute wünschen. Über Nacht zum Weltstar, würde ich mal glatt behaupten. Die Aussicht vom Zuckerhut war sagenhaft. Blickte man in Richtung der Stadt, so hatte man zur Linken die Strände der Copacabana und Ipanema, geradeaus sah man in der Ferne den Corcovado, zu Füßen die Stadt, schaute man nach rechts, so blickte man gen Bucht der Stadt. Da ich mein Stativ vergessen hatte, fragte ich einen Asiaten, ob er ein Foto von mir machen könnte und in einem anschließendem Gespräch erfuhr ich, dass dieser jemand ein Minister aus Südkorea sei, der auf einer Tagung in Brasilien sei. Was man für Menschen trifft, hallihallo! Ich machte ganz ruhig und verbrachte mehr als eine Stunde oben, saß dann für 30 Minuten fest, weil die Gondeln nicht mehr einwandfrei funktionierten. Meinen Tag gestaltete ich dann mit einem guten Stück Fußmarsch und vielen Schnappschüssen unter wirklich heiß brennender Sonne. Weil ich eine Sehenswürdigkeit ganz unbedingt aufsuchen wollte, verschlug es mich ins Lapa-Viertel. Hier gab es, sofern meine Infos stimmten, die 'Escadaria Selaron de Rio de Janeiro'. Treppenstufen, die mit Kacheln und Fliesen aus aller Welt in verschiedensten Farben beklebt waren und in dieser Form somit ein einmaliges Szenario boten. Ich suchte und fragte, lief und stand. Kein Mensch hier kennt diese eigentlich weltberühmten Stufen, die zum Beispiel in verschiedenen Musik-Videos als Drehort dienten. In einem Kiosk wurde mir dann gesagt, dass die Stufen zu einem Kirchturm führen würden. Immerhin ein Hinweis, also fortan einem Kirchturm nach. Einen erblickte ich auch sobald, ging sehr steile Gassen hinauf, wusste nicht, ob sich dieser Marsch lohnte oder aber nur in ein Elendsviertel führte. Doch mein Reisemotto war, dass ich mich nicht verlaufen konnte, denn gerade „Zufälle" beim Spazierengehen führen oft zu den wirklich wesentlichen und interessanten Orten. Und so kam es. Ich ging meines Weges, sah hinter einigen Häusern einen Kirchturm, schaute beim gehen einmal nach links, einen Weg hinunter und sah Treppen, jedoch keine Farben. War ich angekommen? Drei Stufen sprang ich hinunter und drehte mich um. Da waren sie. Wie ich mich freute! Hier verbrachte ich mindestens eine Stunde, aufmerksam musterte ich die Kacheln, die unter anderem Städte zeigten, Wappen von Fußballvereinen, selbstgemalte Kacheln, große und kleine, schöne und hässliche. Als ich dann auch endlich ein Einzelbild hinbekam (dieser Ort war voll von Touristen), zog es mich weiter zu den Lapa-Bögen. Dort oben drauf fuhr ehemals ein Zug, doch aufgrund eines Unfalles ist die Strecke gesperrt. Die sich ganz in der Nähe befindliche moderne Kathedrale der Stadt, die angeblich ein Fassungsvermögen von mehr als 5000 Besuchern hat, lag auf meinem Weg, anschließend nahm ich die Metro zurück nach Tijuca. Eine Metrofahrt zur Rush-Hour kann hier ein Mix aus Gefahr und Spaß werden: Die Türen der Wagons werden alle automatisch geöffnet und die Züge halten jedes Mal auf der gleichen Höhe am Bahnhof. Die Fahrgäste warten nicht über den Bahnsteig verteilt, sondern stehen in großen Gruppen an den jeweiligen Stellen, wo dann auch die Türen der Züge vorzufinden sein werden. Ein Zug fährt in den Bahnhof ein (praktischerweise wählte ich eine Art Zentralbahnhof), Menschenmassen drängen an den Zug heran, der schon komplett überfüllt ist. Die Türen öffnen sich und von hinten schiebt der Mob kräftig an. Die Leute gehen nicht in den Zug, sie werden gegangen! Und versucht jemand, hier auszusteigen, darf er sich einen Glückspilz nennen, wenn er Erfolg hat. Zu Beobachten waren deshalb erleichterte Mienen und teilweise Lacher von aus- und einsteigenden Herrschaften. Ich gesellte mich in eine Gruppe, stand zwei Meter von der Kante entfernt und musste dennoch fünf Züge abwarten, bis auch ich in die Metro gepresst wurde. Hier stützen sich die Leute an den Innenwänden ab und mindestens jeder Dritte muss seinen Rucksack, die Jacke oder aber einen Arm oder Fuß aus der Tür ziehen, die nicht geschlossen werden kann. Fährt ein Zug aus einem Bahnhof ab, grinsen sich die Bahnfahrer gegenseitig ins Gesicht und fahren nach einem Arbeitstag mit Kampf zum Abschluss erleichtert nach Hause. Meine Heimkehr sollte aus Abendessen und Bettruhe bestehen, doch hatte ich mal wieder nicht auf dem Zettel, dass Nilson ein Mensch voller Tatendrang war. Wir gingen zur Geburtstagsfeier der Stadt (es war der 460. oder so), die in einem Park unweit der Basilika öffentlich ausgetragen wurde. 20 000 Menschen, eine hierzulande bekannte Musikgruppe, ein etwas populärerer Gustavo Lima, 15 Menschen, die mich umzingelten, auf englisch, portugiesisch und spanisch auf mich einredeten und mich als Gringo in ihrer Mitte feierten. So viel dazu...Als das Spektakel mit einem Feuerwerk nach Mitternacht vorbei war, gingen riesige Massen den gleichen Weg, wie wir und ich kam mir vor, wie nach einem Fußballspiel, inmitten von betrunkenen, grölenden und verwirrten Menschen. So viel Action in der Stadt des Karnevals. Sleep well.
- comments