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Da bin ich mal wieder und ja ich lebe noch :) Mehr als drei Wochen sind seit meinem letzten Post vergangen, aber ich brauchte erstmal etwas Zeit, um mich an mein neues Leben zu gewöhnen.
Nachdem ich während meiner Zeit an der Uni viel Zeit damit verbracht hab mein Leben zu genießen, war es schon eine gewaltige Umstellung plötzlich jeden Tag arbeiten zu müssen.
Wo bin ich denn nun eigentlich gelandet? Das kleine Städtchen heißt Murgon und liegt etwa 2,5 Stunden nordwestlich von meinem alten Wohnort an der Sunshine Coast. Allerdings wohne ich nicht wirklich in dem Ort sondern auf einer Farm, die nochmal 13 Kilometer außerhalb davon liegt. Es war gar nicht so einfach hier herzukommen, da es keine wirkliche Busverbindung gibt. Glücklicherweise habe ich aber mit Timo und Hanna zwei Freunde gefunden, die so freundlich waren mich nach Murgon zu fahren, wo mich dann mein neuer Arbeitgeber aufgegabelt hat. Bereits während der Fahrt zur Farm ist mir dann mal wieder bewusst geworden wie groß und wenig besiedelt Australien eigentlich ist. Im Umkreis von 5 Kilometern um die Farm gibt es vielleicht eine Hand voll Nachbarn, wenn man die überhaupt noch als Nachbarn bezeichnen kann. Das nächste Haus ist etwa 1 Kilometer entfernt und gehört den Eltern meines Chefs. Aber trotzdem ist das eigentliche Anwesen hier ziemlich schick. Das Haus meines Chefs ist ziemlich groß mit Veranda, Pool und natürlich auch einem riesigen Grundstück inklusive dem Gästehaus, in dem ich wohne. Dem Gästehaus sieht man die Jahre schon an, aber seit ich hier angefangen habe, gab es ein paar Renovierungsarbeiten und einige Geräte wie Kühlschrank und Mikrowelle wurden erneuert. Von daher kann ich mich eigentlich über nichts beschweren.
Einen neuen Fernseher hab ich in der ersten Woche auch bekommen, aber den hab ich noch keine einzige Sekunde benutzt. Ich hatte mir schon länger vorgenommen mich mal für eine Weile oder für immer von all den täglichen Nachrichten usw. zu verabschieden und dafür ist die Zeit hier auf der Farm jetzt perfekt. Es ist zwar nicht so, dass mich all die Nachrichten nicht interessieren würden, aber wenn man es mal genau betrachtet, werden wir Tag für Tag auf allen Kanälen nur mit schlechten Nachrichten konfrontiert. Und zusätzlich verlieren wir durch irgendwelche TV-Shows oder was auch immer so viel Zeit, die wir jeden Tag mit deutlich sinnvolleren Dingen verbringen könnten. Ich schau mir einmal in der Woche den Nachrichtenüberblick im Internet an und das ist dann auch schon alles. Ich habe dadurch einfach viel mehr Zeit mich auf die schöne Dinge in meinem Leben zu konzentrieren anstatt mir ständig Gedanken oder Sorgen über irgendwelche Vorgänge auf der Welt zu machen, an denen ich sowieso nichts ändern kann. Die für mich interessanten Geschehnisse sind im Moment sowieso viel zu weit entfernt. Natürlich hab ich mitbekommen was in Paris passiert ist und all die Opfer und Hinterbliebenen haben mein absolutes Mitgefühl, aber für mich fühlt sich das momentan an als würde all das auf einem völlig anderen Planeten geschehen. Daher sehe ich einfach keinen Grund mich jeden Tag mit diesen Themen zu beschäftigen. In meinem aktuellen Tagesablauf wäre dafür auch gar keine Zeit. Ich arbeite jeden Tag von 6.30 Uhr bis 15.30 Uhr, danach schau ich mal kurz ins Internet, ob mir jemand geschrieben hat und dann trainiere ich meistens 1 bis 2 Stunden. Russell, mein Chef, hat auf seinem Grundstück noch ein Gartenhaus mit Terrasse und das hat er zu seinem persönlichen Fitnessstudio ausgebaut. Ich finde da alles was ich für mein tägliches Training brauche und ich kann auch endlich wieder Crossfit machen :) An den Wochenenden arbeite ich jeweils morgens und nachmittags 1-2 Stunden, um die Tiere zu füttern.
Die Farm selbst ist eine reine Schweinefarm mit etwa 6000 Tieren an 4 verschiedenen Standorten. Ich muss mich am Wochenende allerdings nur um die beiden Standorte hier kümmern, da die anderen beiden mehrere Kilometer entfernt sind. Zu Beginn war die Arbeit schon etwas gewöhnungsbedürftig und ich hatte auch einige moralische Konflikte. Nicht weil die Tiere hier schlecht behandelt werden, aber weil es letztendlich nichts anderes ist als eine Farm, auf der die Tiere aufwachsen bis sie an irgendwelche Schlachtbetriebe verkauft werden. Nach den ersten paar Tagen war ich auch schon mal an einem Punkt, wo ich geglaubt habe, dass ich das nie durchhalten kann und mir bald wieder einen neuen Job suchen muss, aber glücklicherweise hat mir das tägliche Training und meine Meditation geholfen eine klaren Kopf zu bewahren und über alles in Ruhe nachzudenken. Grundsätzlich kann ich es als Tierliebhaber natürlich nie gut heißen, aber wenn ich den Job nicht mache, dann macht ihn ein anderer und wenn ich ihn mache, dann kann ich wenigstens gewährleisten, dass es den Tieren hier so gut wie möglich geht. Letztendlich muss ich den Job nur für 3 Monate machen und gegenüber der Alternative Obst- oder Gemüseernte ist meine Arbeit hier deutlich abwechslungsreicher. Ich verbringe relativ viel Zeit mit dem Füttern der Tiere und der Reinigung der Ställe, aber es gibt auch tagtäglich andere Aufgaben. Die Zeit vergeht eigentlich echt gut, was wohl auch daran liegt, dass meine Arbeitskollegen absolut in Ordnung sind und wir auch ziemlich viel Spaß zusammen haben.
Nach nunmehr über drei Wochen an denen ich durchweg gearbeitet habe, wurde mir für dieses Wochenende eine Zwangspause verordnet. Eigentlich würde ich mir die lieber sparen, weil die Wochenendtage für mich leicht verdiente Arbeitstage für mein Visa sind. Sobald man auch samstags und sonntags ein paar Stunden arbeitet, zählt die komplette Woche für das Visa. Dementsprechend hab ich jetzt schon knapp 25 Tage erledigt. Aber wahrscheinlich kann es nicht schaden sich mal zwei Tage auszuruhen und dann wieder ein paar Wochen durchzuarbeiten.
Zu Beginn hab ich in dem Gästehaus auch noch mit einem Kanadier zusammen gewohnt, der vor 2 Wochen aber seine Farmarbeit beendet hat und nur in der Übergangsphase noch da war, um mir zu zeigen was ich jeden Tag so erledigen muss. Jetzt hab ich das Haus also für mich allein, aber ich bin weit davon entfernt mich einsam zu fühlen. Russell und seine Frau Mandy laden mich öfter mal zum Essen ein oder nehmen mich mit zu irgendwelchen Veranstaltungen. Mit Russel´s Eltern hab ich auch schon einige Zeit verbracht und über ihre ganzen Reisen gesprochen. Echt beeindruckend wie viel die schon von der Welt gesehen haben.
Russell hat auch noch 3 Hunde und 2 Katzen, die mir eigentlich täglich einen Besuch abstatten und dann hab ich auch noch ein paar kleinere Untermieter :) In meinem Bad wohnen mehrere kleine Laubfrösche, die man aber nur abends zu Gesicht bekommt und eine Maus hab ich auch. Die hat sich anscheinend langsam an mich gewöhnt und schaut mich manchmal ewig an während ich am Küchentisch sitze. Ich hab sie „Mr. Jingles" getauft. Nach der Maus in „The Green Mile", für alle die den Film kennen. Sowas gehört halt einfach zum Farmleben dazu, genauso wie Spinnen, Schlangen und alle möglichen Arten von Insekten, aber ich hab mich mittlerweile echt daran gewöhnt und solange mein Schlafzimmer und der Großteil des Hauses frei von all den Tieren ist, dann kann ich problemlos damit leben.
Glücklicherweise spielt sich der Großteil meines Arbeitstages innerhalb der Ställe ab, da es so langsam aber sicher echt heiß wird. In den letzten Tagen waren es immer deutlich mehr als 30°C und für die nächsten Tagen sind Temperaturen von 40°C oder mehr angekündigt. Abends ist es allerdings immer relativ angenehm zum Schlafen und Russell hat jetzt auch seinen Pool gereinigt, also kann ich mich da auch jederzeit abkühlen.
Es ist schon erstaunlich wie schnell man hier als Teil der „Familie" betrachtet wird. Die Australier scheinen auch ein grundlegendes Vertrauen in das Gute im Menschen zu haben. Letzte Woche waren Russell und Mandy für mehrere Tage in Melbourne und ich war quasi für die ganze Farm allein verantwortlich. In Deutschland würde jeder seine eigenen vier Wände abschließen und sicher gehen, dass niemand sein Haus betreten kann, aber die Beiden haben sich einfach mit den Worten „Fühl dich wie Zuhause" verabschiedet, keine einzige Tür verschlossen und mir alles anvertraut obwohl wir uns erst seit knapp 3 Wochen kennen. Aber das ist genau diese Offenheit, die mir hier so gefällt und von der viele Länder der Welt etwas vertragen könnten.
Da ich momentan nur einmal pro Woche zum Supermarkt komme, hab ich beschlossen nochmal ein kleines Ernährungsexperiment zu machen. Ich werde versuchen mich während meiner Zeit auf der Farm so oft wie möglich vegan zu ernähren. Bisher hat das echt super funktioniert und ich vermisse weder Käse noch Eier. Die normale Milch hab ich sowieso schon seit Monaten durch vegane Milch wie Mandel- oder Reismilch ersetzt. Wenn man nicht ständig einkaufen kann, dann überlegt schon genau was man wirklich braucht und dementsprechend ist mein Einkaufswagen jetzt immer bis obenhin voll mit Früchten und Gemüse :)
Mir geht es also richtig gut und ich bin guter Dinge, dass ich die restlichen Wochen meiner Farmarbeit auch problemlos überstehe. Das einzig komische Gefühl bekomme ich immer beim Blick auf den Kalender oder in die Süßigkeitenregale im Supermarkt, denn ich hab nicht mal annähernd das Gefühl als wäre in wenigen Wochen schon Weihnachten. Ich glaube auch nicht, dass sich das noch ändert. Mitten im Hochsommer kann für mich einfach keine Weihnachtsstimmung aufkommen, aber das ist ok und ich werde sowieso an allen Feiertagen arbeiten müssen und werde somit gar keine wirkliche Zeit für Weihnachten haben. Das ist für mich auf jeden Fall auch die beste Lösung, um die Festtage hier in Australien zu überstehen, ansonsten würde ich nur anfangen die heimische Weihnachtsstimmung zu vermissen. Die gibt es halt dieses Jahr nicht. Das hab ich vorher gewusst und ich hab mich ja selbst dazu entschlossen. Bis dahin sind es jetzt noch 4 Wochen, die ich wahrscheinlich wieder komplett durcharbeiten werde. Da einige meiner Kollegen in der Zeit von Weihnachten und Silvester frei haben, werde ich wohl erst im neuen Jahr mal wieder eine Pause bekommen. Wird bestimmt etwas anstrengend, aber dann hab ich im neuen Jahr schon über zwei Drittel meiner Arbeit erledigt und es gibt mir die Chance, meinen Plan in die Tat umzusetzen, pünktlich zu meinem Geburtstag am Great Barrier Reef zu sein :)
Ok das soll es erstmal für heute gewesen sein. Ich gebe mir Mühe in nicht allzu ferner Zukunft wieder einen Post zu schreiben.
Viele Grüße aus dem australischen Niemandsland und bis bald :)
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