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Cloud 9 ist eine hygienische Katastrophe, das wird noch lustig. Ob die Küche bei unserer Rückkehr heute Abend noch nicht weggelaufen ist, bleibt abzuwarten.
Wieder in der Bibliothek angekommen, machen wir, eher ich mich wieder an die Wohnungssuche. Sarah ist sehr traurig und wirklich davon mitgenommen, daß sich ihre Schwester von Sydney aus auf dem Heimflug befindet und ein Datum für ein Wiedersehen ungewiß ist. Hieraus resultiert eine hohe Frequenz der jeweiligen Kontaktaufnahmen mittels Telefonie und Whatsapp. Zudem muß sie heute beginnen, ihre CV`s (curricula vitae) in verschiedenen Bars und Restaurants an den Mann zu bringen. Abseits ihrer zahlreichen Absencen ist sie daher kein Ausbund an Entspanntheit.
Und warum sind es wieder mal nur die Franzosen, die in einer Bibliothek im Lesesaal in aller Seelenruhe an ihre laut schellenden Handys gehen und dann bis zur Intervention der mit dem hauseigenen Kindergarten kämpfenden Aufsichtspersonen (sprichwörtlich zu nehmen), in einer Laustärke telefonieren, aufgrund derer einzig der Schluß erlaubt sein kann, daß man Herrn Kind und allen seinen Kollegen Frankreich als Eldorado ihrer Zunft anempfehlen muß?
Ich bin voll im Urlaubsmodus angekommen und finde die Bib einfach toll. Nicht sehr hilfreich.
Dafür wird meine seit gestern laufende Korrespondenz mit indischen und philippinischen Call-Centern von Aldi-Talk beim natürlich frustranen Versuch, eine Simcard freizuschalten, immer blumiger. Den Passierschein A38 habe ich auch noch nicht auftreiben können. Aber dafür hat die Konferenz eines australisch beschäftigten und englisch radebrechenden Phillippinos mit einem angeblich mit irischem Akzent behafteten und ebenso sprachlich versagenden Deutschen mit Lautsprecher-gestörtem Handy einen Hauch von UNO. Rede ich mir jedenfalls lieber ein.
Am Nachmittag haben wir dann zwei Termine zur Wohnungsbesichtigung:
Bei Carver, einem in der IT-Branche mittels Homework beschäftigten Honkong-Chinesen, im Hinterhof des Hinterhofes und dafür nur fast knapp von unten an die Grasnarbe anstoßend, wäre unmittelbar jetzt gleich sofort Anfang Februar ein vom Interieur her nettes Zimmer frei, freilich direkt an die Küche zweier schichtarbeitender indischer Studenten angrenzend und mit dafür luxuriöser Two-in One Waschmaschinen-Klo-Combo. Und das Ganze für nur 260$ in der Woche! "Wir rufen Sie an..."
Dann finden wir auf dem Weg durch West End, hin zur nächsten Besichtigung, ein Hostel, welches uns für 2$ tgl. mehr im 6er-Schlafsaal, der, gekachelt und blitzend, von den Ausmaßen her die Bezeichnung Saal verdienend, saubere Betten angeboten hätte, nebst Pool, riesiger Außenanlage mit Partyzone und einer Küche, in der man zu zweit auch wirklich nur zu zweit ist. Das Ganze wird uns auf einer Führung präsentiert. Ach ja, hier hat jedes Zimmer seinen eigenen Flachbildschirm. Und West End ist das bourgeoise Weggeh-Viertel.
Unnötig, zu sagen, daß ich der genervten Sarah gestern geraten habe, Loch 9, Verzeihung "Cloud 9" gleich vorsorglich für 2 Nächte zu buchen. Auch ich verlasse kurz den Urlaubs-Modus.
Das angebotene Zimmer in der Westmont Accommodation, 13 Thomas Street präsentiert uns der Besitzer Clarry, ein schätzungsweise in den frühen Sechzigern befindlicher Australier, den man gemeinhin nur als Original bezeichnen kann. Er ist Vater einer Orthopädin und zudem eines Urologen, welcher ihm aufgrund seiner nicht ausreichend leistungsfähigen Mikroskope eine Operation zur Penisvergrößerung verweigert habe. Er ist begeistert von meiner Idee, meine Ersparnisse auf den Kopf zu haben, "Blow´em away!", scheint sich um finanzielle Rückversicherungen bei einer Vorauszahlung mittels Kreditkarte nicht sonderlich zu kümmern und beklagt die EInstellung seiner Kinder, das Geld nur zu scheffeln.
Er zeigt uns verschiedene Zimmer ab 290$ bis zu seiner Aussage nach 750$ die Woche wert und betont seine Vorerfahrungen als Salesman. Schmankerln ist Bruno, der Haushund, Clarry`s Aussage nach eigentlich kanadischer Entenhund, in dieser Rolle aber völlig nutzlos, da jeglichen Wasserkontakt in Nähe einer Ente verweigernd. Das habe man von den Ausländern. Allerdings nur den tierischen, die menschlichen Ausländer mag er gerne, verdient er doch gutues Geld mit ihnen. Und er ist wirklich eine echt coole Socke. Scheinbar mag er uns, und ich habe ihn nach den ersten paar Sätzen richtig eingeschätzt. Denn nach dem üblichen Geplänkel wird er lockerer, kassiert ohne mit der Wimper zu zucken einige Sprüche meinerseits, lacht herzlich über mein familiär erlentes Pantoffelhelden-Gejammer (Danke Chef für die Lehrstunden und noch mehr Sarah für´s perfekte Mitspielen!).
Nachdem er dann sogar meinen Vergleich mit Onkel Peter, der Dreck in Tüten verkaufen könnte, mit schallendem Gelächter quittiert und offensichtlich als Kompliment verstanden hat, hat er soviel Honig um den Bart, daß er uns sein tatsächlich bestes Zimmer für 320$ die Woche und auf unbestimmte Zeit anbietet.
Wir gehen kurz um die Ecke auf ein Bier und eine Sprite und kommen dann zurück, um zuzusagen. Die Paralellstraße ist die Weggehmeile. Wie hätte ich da ablehnen können? Leider ist er schon wieder weg, und wir müssen das in auf "Wolke 7" erledigen.
Zurück in Cloud 9: Die Küche ist noch da. Leider! Abendessen fällt spärlich und nur mit frisch verpackten oder getoasteten Nahrungsmitteln aus. Da wir uns nur auf Englisch unterhalten, werde ich von den anwesenden deutschen Halbwüchsigen auch als solcher eingestuft und in Ruhe gelassen. Eine junge "Dame", die beim Anblick meiner Kekse vor Begierde beinahe vom Hocker fällt und dies auch kundtut, verläßt diesen dann wirklich ruckartig, als ich ihr ohne aufzuschauen im Gespräch mit Sarah einen herüber reiche.
Im Zimmer sind zwei nette englische Jungs auf Work-and-travel-Tour, die in den Minen im Nirgendwo kellnern und hier ihre Freiwoche verbringen. Leider in der Erwartung einer Freundin aus Yorkshire, die neben ihrer unverständlichen Aussprache das Benehmen und die Lautstärke bei gleichzeitig deckungsgleicher intellektueller Ausstrahlung unserer hochverehrten Vickie Pollard präsentiert. Mein Versuch, zur Abwehr ein Video zu starten, scheitert an dem Unvermögen meines Netbooks, Sarah´s original-balinesische (?) DVDs abzuspielen.
Dafür erreichen wir Clarry noch und bekommen das Zimmer, ebenso wie die Ankündigung möglicher Nachverhandlungen zugunsten unsererseits für den Folgetag.
Im sicheren Bewußtsein, heute Nacht im Schlaf zwei Kakerlaken und drei Spinnen (hoffentlich ungiftig) zu verspeisen, schlafe ich ein.
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