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Sonntag, 26. Februar 2017 - wechselnd bewölkt, 25°
Wir leben noch, und zwar beschwerdefrei. Im Bad von Dagmars Wohnung stinkt es nach Abwasser. Das Klo sieht nach Fehlkonstruktion aus, denn der Wasserspiegel ist sehr tief unten, so dass wahrscheinlich etwas Luft durch den Syphon dringen kann. Als weiterer Mangel fehlt WC-Papier; die selbst mitgeführte Rolle rettet uns vor dieser Kalamität. Nach dem Frühstück gehen wir um einige Ecken den Weg hinunter zu Carlas Pension und fragen sie danach. Eigentlich müssten die Gäste es selbst kaufen, sagt sie, gibt uns aber doch zwei Rollen gratis mit. Ob man am Sonntag irgendwo Früchte kaufen könne, fragen wir weiter, und leider ist die Antwort nicht erbaulich: In Ribeira Grande vielleicht. Wir lassen uns nicht entmutigen und machen einen Erkundungsgang durch den am Sonntagmorgen ausgestorben wirkenden Ort. Aber doch, der Spencer's Mini-Mercado,wo wir gestern einkauften, ist offen. Bei dem halben Dutzend schrumpeligen Orangen, die noch in einer Kiste liegen, sind sogar zwei brauchbar aussehende und eine kleine Birne. Das rettet unser heutiges Birchermüesli. Für den Abend kaufen wir Spaghetti und Tomatensauce. Auf Salat müssen wir leider verzichten, denn es gibt weder Gurken noch Karotten noch sonst was Grünes. Eine Markthalle wie auf den andern Inseln mit Landfrauen und ihrem Angebot fehlt hier. Dabei sei Ponta do Sol ein Touristenort, heisst es im Reisebuch. In der Tat, in der Nähe des winzigen Hafens steht ein modernes Hotel mittlerer Grösse. Der Hafen ist winzig und hat wenig Reiz, den ein Restaurant mit Fensterfront zu nutzen versucht. Gleich um die Ecke vor Carlas Kneipe sitzt der Deutsche Ottgar, der gestern in Dagmars Wohnung auftauchte und sich wichtig machte. Er trinke das Wasser sogar kalt ab Hahn, er sei nicht empfindlich, verkündet er. Die Dagmar sei halt ein bisschen auf dem Esoteriktrip und vermute überall Gifte.
Unser Domizil steht an der Wanderroute, die der spektakulären Steilküste entlang westwärts führt. Bis zum Dorf Fontainhas führt eine schmale Strasse, zu Fuss eine knappe Stunde weit. Wir nehmen sie am Nachmittag unter die Schuhe. In vielen Kurven führt sie langsam höher, geht in Schluchten hinein und wieder hinaus und biegt schliesslich in das enge Tal ein, wo das winzige Dorf sich mitten drin auf einen kleinen Rücken krallt. Im Kessel unterhalb des Dorfes entdecken wir - fast ein Wunder in all der Trockenheit - ein Wasserloch, in das sogar ein winziger Wasserfall tröpfelt! Der kleine Bach, der das Tal hinabläuft, ist überall von intensivem Grün begleitet. An den Steilhängen ringsum wurden sämtliche Möglichkeiten zum Bau unzähliger, teils meterschmaler Terrassenfelder ausgenützt. Ein höchst erstaunlicher, eindrücklicher Anblick. Nur auf wenigen der Terrassen wird noch gepflanzt, teils aber auch auf solchen, die direkt am schaurigen Abgrund liegen. Da darf es bei der Feldarbeit keinen Fehltritt geben! Die Wanderroute, bisher auf der Strasse, geht nach dem Dorf steil hinauf auf den nächsten Grat. Wir halten vor dem Dorf an, wo sich die beste Aussicht bietet, und begnügen uns damit, die gewaltige Szenerie dieses von himmelhohen Felsgipfeln gekrönten Talkessels auf uns wirken zu lassen. Der grandiose Anblick entschädigt uns für die anfängliche Enttäuschung gestern. Auf dieser Route begegnen uns immer wieder Wanderer; zum ersten Mal auf diesen Inseln kommen sie in grösserer Zahl vor. Wir sind auf der wichtigsten Wanderinsel der Kapverden angekommen. Zum Nachmittagstee sind wir zurück in unserer luftigen Wohnung.
Vom Wohnungsbesitzer in Ribeira Grande ist eine Zusage gekommen, und so storniere ich nun die Buchung für das „Haus des Architekten" in Chã da Igreja. Dort wäre es mit dem Einkaufen noch schwieriger gewesen, und vom neuen Ort aus sind mehr Wanderwege auf einfache Weise zu erreichen.
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