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Pferde beschimpfen, Hasenohren tragen und reichlich Geld verschenken: Das chinesische Neujahrsfest in der ehemaligen britischen Kronkolonie pendelt ständig zwischen Kitsch und Aberglaube.
Normalerweise wird auf dem Platz im Victoria Park Fußball gespielt. Doch normal ist so kurz vor dem chinesischen Neujahrsfest überhaupt nichts mehr in Hongkong. Am letzten Tag des Blumenmarktes auf Hongkong Island, der seit einer Woche die öffentliche Sportstätte in Beschlag nimmt, tummeln sich hunderttausende Menschen hier. Und immer wieder drängen neue Besucher der knapp sieben Millionen-Einwohner-Metropole auf den schon völlig überfüllten Platz nach. Touristen und Kinder gehen in den Menschenmassen in kürzester Zeit verloren. Und wer sich gegen die Strömung bewegen möchte, der geht gnadenlos unter. Die Polizei sperrt bereits am frühen Nachmittag in Erwartung des üblichen Chaos die umliegenden Straßen ab.
Der Last-Minute Besuch des Marktes ist für die Hongkonger eine Pflicht - es ist ihre letzte Chance, das Glück für die kommenden zwölf Monate zu pachten. In ein paar Stunden schon ist es dafür zu spät. Denn dann beginnt nach dem chinesischen Kalender das Jahr des Hasen. Das traditionelle Neujahrsfest wird jedes Jahr in einer Neumondnacht zwischen dem 21. Januar und dem 21. Februar eingeläutet. Davor ist halb Hongkong zwischen den Marktständen auf der Suche nach Glück und Wohlstand. Beides gibt es hier angeblich zu kaufen - und zwar in Form von Mandarinenbäumen, Bambusstauden und blühenden Pflaumensträuchern. Unverzichtbare Utensilien für ein erfolgversprechendes Jahr des Hasen. So will es der Aberglaube und auf den lassen die Chinesen nichts kommen.
"Kung hei fat choy - Viel Erfolg und Reichtum!" wünscht man sich in Hongkong zum neuen Jahr. Doch von nichts kommt nichts. Damit der fromme Wunsch auch in Erfüllung geht, gilt es eine schier unerschöpfliche Ansammlung an Regeln und Traditionen zu beachten. Der Kauf einer glückbringenden Pflanze wie dem Mandarinenbaum ist da nur der Anfang.
Bereits Tage vor dem eigentlichen Fest beginnen die Hongkong-Chinesen damit, penibel ihre Wohnungen und Häuser zu putzen. All das Schlechte und Böse soll so aus dem Leben gekehrt werden. Dementsprechend wenig wird dann im neuen Jahr aufgeräumt, denn das frisch eingetroffene Glück darf schließlich nicht gleich wieder weggefegt werden.
Alles was irgendwie nach Pech, Tod oder nach Verdammnis klingt, wird gemieden. Aus diesem Grund ist die Zeit vor Neujahr auch perfekt, um in Hongkong Schuhe zu kaufen. Das chinesische Wort für Schuh klingt nämlich in der Aussprache genauso wie das chinesische Wort für schlecht, böse und ungesund. Kein Chinese würde es wagen, sich frisch nach dem Jahreswechsel ein Paar Stiefel zuzulegen - und deshalb gibt es vorher atemberaubende Rabatte in den Schuhgeschäften der Stadt. Die Buchläden haben übrigens ein ähnliches Problem. Ihre Ware wird mit dem chinesischen Wort für "verlieren" assoziiert. Und verlieren möchte kein Chinese im neuen Jahr.
Ein echter Renner in den Geschäften sind hingegen kleine rote Papierumschläge. Darin überreicht man sich zu Neujahr Geldgeschenke. Der Chef gibt seinen Angestellten, die Eltern den Kindern und die Verheirateten den Alleinstehenden ein paar frische Banknoten als Präsent. Auch diese Sitte bringt nach dem Verständnis der Chinesen Glück. Genauso wie das Essen von getrockneten Austern in einer nicht nur für Europäer übel schmeckenden Sauce. Letztere Tradition soll insbesondere den chinesischen Kindern nur schwer zu vermitteln sein.
Die ersten Tage im neuen Jahr unterliegen einem festen Fahrplan zu Erfolg und Reichtum. Tempel werden besucht, unzählige Räucherstäbchen verbrannt, Löwen tanzen durch Hotels und spucken zerkaute Salatblätter durch die Gegend, man besucht die Familie, spielt Mah-Jongg und trägt mindestens ein rotes Kleidungsstück oder Accessoire. Natürlich erweist man auch dem jeweiligen Tier Respekt, in dessen Zeichen das neue Jahr steht. Auch wenn das heißt, dass Erwachsene ein paar lächerliche Hasenohren in aller Öffentlichkeit tragen. In den Schaufenstern der Geschäfte, auf der Straße, in Restaurants und Hotels - überall finden sich mehr oder weniger kitschige Abbilder des kleinen Nagetiers. Von den unzähligen Plüschhasen, die unter das Volk gebracht werden, darf man gar nicht erst anfangen zu erzählen. Nicht auszudenken wie Hongkong 2020 aussieht, wenn das Jahr der Ratte ansteht.
Klassische Ausflugsziele, die sonst fast ausschließlich von Touristen bevölkert werden, erfreuen sich an den ersten Tagen des neuen Jahres auch bei den Einheimischen großer Beliebtheit. Beste Beispiel ist hierfür der Victoria Peak. Normalerweise verirren sich die Hongkong-Chinesen nur selten auf den höchsten Berg der Stadt. Im neuen Jahr stehen sie jedoch stundenlang Schlange, um mit der Seilbahn hinauf zu fahren und einmal um den Gipfel zu wandern. Der Grund für die Tortur: Es bringt Glück. Wer hätte das gedacht. Ich dagegen habe früh morgens mit Tina und Andy den Bus Richtung Ocean Park genommen, damit wir auch vor allen anderen dort waren. Doch oh Wunder - die selbe Idee hatten auch viele Chinesen. So wurde der Park bereits um 10:30Uhr für weitere Besucher gesperrt. Clever wie wir sind haben wir erst am hinteren Ende des Parks angefangen uns umzusehen. Sprich es ging sofort über den Berg mit einem Cable Car. Nach Besichtigung des Seelöwen Geheges, einer Fahrt mit dem Boot, der Achterbahn und Co. ging es zu den Delphinen um die Show zu sehen. Da an diesem Tag ausgezeichnetes Wetter herrschte, konnte man dort die Phobie der Chinesen vor Sonnenstrahlen beobachten. Sonnenschirme weit und breit wurden aufgespannt - sonst wäre die Wirkung der bleeching Creme schließlich auch sofort aufgehoben. Nachdem wir alles gesehen hatten ging es wieder hinab mit einer futuristischen Bahn. Nun konnten wir sehen wie viele Menschen es bereits in den Park geschafft hatten. Eine ewig lange Schlange stand vor dem Pandagehege, schließlich ist auch er ein Symbol des Glücks. Daher entschlossen wir uns erst etwas zu Essen zu suchen und dann die Pandas zu besuchen. Letztendlich hatten wir wieder ein perfektes Timing und mussten weder bei den Pandas, Quallen noch bei sonst einer Attraktion lange anstehen. Nach nahezu 7 Stunden hatten wir genügend Bilder beisammen, sodass wir wieder nach Hause fahren konnten, denn der nächste Ausflug war bereits geplant.
Ein weiteres Highlight an diesem Tag ist schließlich das große Feuerwerk über dem Victoria-Hafen am 2. Tag des neuen Jahres. Daher hieß es schnel umziehen und ab zu Matze damit wir auch pünktlich mit der MTR in Kowloon bei Sebastian ankommen. Über 20 Minuten lang erstrahlt die Stadt im gleißenden Licht der Raketen. Und ganz Hongkong schaut punkt 8p.m. zu. Egal ob vor dem Fernseher, in den edlen Waterfront-Restaurants von Central, auf der Avenue of Stars in Tsim Sha Tsui, am Pier der Star Ferry in unserem Büro oder wie ich bei Sebastian zu Hause, gebannt schauen die Chinesen gen Himmel, während Pyrotechnik im Wert von knapp 700.000 Euro in Rauch aufgeht und der Geruch von Schwarzpulver durch die Straßen zieht. Die Rauchwolke die sich innerhalb dieser Zeit über den Schiffen bildete, die die Feuerwerkskörper zündeten, verdeckte gen Ende nahezu die Hälfte des Feuerwerks. Es ist übrigens das einzige Feuerwerk der Stadt, denn seit geraumer Zeit ist das Böllern in Hongkong aus Sicherheitsgründen offiziell verboten. Nachdem wir die das Jahr des Hasen begrüßt hatten gab es erstmal lecker Pizza bei Sebastian und Anne gemeinsam mit ihren Eltern. Das perfekte Ende für einen schönen Tag .
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