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Salam Alaikum meine Lieben,
bereits die siebte Woche meines Aufenthaltes im orientalischen Sana'a neigt sich dem Ende zu. Auch diese Woche hielt wieder einmal Überraschungen und neue Erfahrungen für mich bereit. Dienstag war ein ganz besonderer Tag, an dem mich meine Kollegin Daniela einlud, sie auf eine Frauen-Qat-Runde zu begleiten. Für alle die es nicht wissen, bei Qat handelt es sich um eine Pflanze deren Blätter beim kauen eine Art berauschende Wirkung verursachen. Vergleichbar ist das Qat mit Tee oder Kaffee. Die Qatblätter werden einzeln vom Strauch gezupft, im Mund zu Bällchen gepresst und in die Backentasche geschoben. Im Verlauf des Tages können diese Bällchen leicht bis zur Größe eines Tennisballs anwachsen; dabei werden sie immer wieder neu befeuchtet und ausgesaugt. Hierfür ist es wichtig, beim Katkauen Wasser oder Süßgetränke zu sich zu nehmen. Beim Kauen der Katblätter wird hauptsächlich der Wirkstoff Cathin, ein Amphetamin, über die Mundschleimhaut aufgenommen.
Daniela und ich wurden von ihrer Freundin Amat eingeladen, die wiederum von einem Freund in sein Haus eingeladen wurde. Anders als Ihr vielleicht denkt, hieß das, der Freund von Amat hat uns sein Haus zur Verfügung gestellt, ohne dass er dort anwesend war. Durch die strikte Geschlechtertrennung hier im Jemen ist es fast unmöglich, dass ein Mann eine Frau oder mehrere Frauen, mit denen er nicht verwandt ist, zu sich nach Hause einlädt oder sich auch sonst mit ihr oder ihnen trifft. Umso erstaunter über und auch dankbarer für diese Einladung waren wir. Das Haus dieses Mannes lag ein wenig außerhalb von Sana'a in einem kleinen Dorf. Leider habe ich auf dem Weg dorthin keine Bilder gemacht und auf dem Rückweg war es schon stockfinster. So bleibt mir nur, Worte zu finden die für dieses Haus bzw. mehr diesen Palast angemessen sind. Dieser hellgrüne, vierstöckige Palast ist auf einem Hügel gebaut und überblickt das komplette, sehr weitläufige Dorf. Auf jeder Etage fanden wir einen riesigen Mafrash (das jemenitische Wohnzimmer) mit gewaltigen Festern, die einen atemberaubenden Blick zuließen. Ich denke, selbst die Fotos von der Umgebung können leider nicht ganz meine Überwältigung widerspiegeln, dennoch geben sie eine Ahnung von der Schönheit dieses Panoramas. Vielleicht, inschaallah (so Gott will), werden wir noch einmal die Freude haben dort Gäste zu sein und ich verspreche, dass ich dann auf jeden Fall mehr Fotos machen werde. Nachdem wir alles bestaunt hatten, ließen wir uns in einem Mafrash nieder und genossen den wunderschönen Ausblick. Daniela begann das Qat von den Zweigen zu zupfen und los ging unsere freudige Runde. Eigentlich sollten noch ein paar weitere Frauen anwesend sein aber deren Männer waren wohl leider nicht gewillt, sie an diesem Nachmittag gehen zu lassen. So waren wir mehr oder weniger nur zu dritt. Auch Amats Kinder und eine Freundin ihrer Tochter hatten uns zum Haus begleitet, aber sie vertrieben sich die Zeit in einem anderen der vielen Zimmer dieses Hauses. Ab und an schauten zwei Frauen vorbei die der Familie des Gastgebers angehören, aber ansonsten waren wir in unsere gemütliche Dreierrunde vertieft. Amat ist Leiterin einer Frauenorganisation hier im Jemen und hat einen wirklich spannenden Lebenslauf. Auf Anhieb haben wir uns großartig verstanden, auch wenn sie nicht wirklich viel Englisch spricht und von meinem Arabischkenntnissen will ich mal gar nicht erst anfangen. Da mir aber ziemlich schnell klar war, dass es sich um eine furchtbar interessante und obendrein sympathische und herzliche Frau handelt, war ich wirklich sehr froh, dass Daniela übersetz hat und wir auf diese Weise tolle Gespräche führen konnten. Natürlich habe ich auch Qat probiert und muss ehrlich zugeben, dass ich von der wohl anregenden Wirkung nicht wirklich bewusst etwas gemerkt habe. Normalerweise soll es wohl dazu führen, dass man sich angeregter und auch mehr unterhält. Wie Ihr jedoch alle wisst, hatte ich damit noch nie ein Problem und rede generell gern und viel. ;-) Das Qat selbst schmeckt ein wenig bitter, was ja nicht ganz so mein Fall ist und obwohl dies natürlich zu vermeiden ist, habe ich doch eine ganze Menge davon untergeschluckt. Es ist gar nicht so einfach es in der Backe zu behalten, besonders wenn man auch noch möglichst viel Flüssigkeit zu sich nehmen soll. Ist aber schon ganz witzig so Blätter zu kauen. Hat mich ein wenig an die Schafe von Elvira und Horst erinnert. ;-) Probieren wollte ich es aber auf jeden Fall mal, wäre ja sonst wie nach Russland zu fahren und keinen Vodka zu versuchen. Alles in allem war es ein großartiger und gelungener Nachmittag/Abend und ich bin Daniela wirklich dankbar für die Einladung und hoffe, dass wir diese Runde irgendwann wiederholen können. Am Mittwochvormittag ging es dann gleich ganz beeindruckend weiter. Es gab eine Art „GTZ-organisierten Wandertag" zur neuen Präsidentenmoschee, von der ich Euch ja aus der Ferne auch schon ein paar Bilder präsentieren konnte. Noch sind die Bauarbeiten voll im Gange und deswegen durften wir als Nicht-Muslime auch einen Blick ins Innere werfen. Für mich war es der erste Besuch in einer Moschee und deswegen sicher umso eindrucksvoller, schließlich handelt es sich um eine der größten Moscheen überhaupt. Offiziell eröffnet werden soll sie dann im Ramadan, also im September und ich würde mal behaupten, da müssen noch so einige Nachtschichten eingelegt werden, um tatsächlich alles bis dahin fertig zu stellen. Allzu viel zu beschreiben fällt mir wirklich schwer. Ich habe versucht meine Eindrücke in den Bildern fest zu halten und hoffe mal, dass Ihr Euch durch diese einen Eindruck verschaffen könnt. Für mich ist vor allem der Kontrast einfach unglaublich… ein Land in dem mehr als 50% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben, leistet sich so eine gigantische Attraktion. Aber vielleicht gibt es den Leuten ja Hoffnung… beeindruckend ist die Moschee in jedem Fall. Ein paar Meter daneben entsteht übrigens, laut Plan, ein riesiges Shoppingcenter mit allem erdenklichen Luxus und Konsummöglichkeiten. Wie man das findet, sollte, glaube ich, jedem selbst überlassen sein…Am Mittwochnachmittag wartete dann eine kleine Herausforderung auf mich. Denn am Tag davor hatte die Deutsche Botschaft eine Versteigerung von alten Möbeln und Hausrat initiiert. Da nicht besonders viele Leute davon wussten habe ich wirklich winzige Gebote für einige Sachen abgegeben und im Endeffekt ein Sofa und zwei Sessel für umgerechnet ca. 15€ ersteigert. Problematisch daran ist, wie kriegt man das Zeug nun von der Botschaft in die Altstadt und dann auch noch in den vierten Stock???? Gott sei Danke gibt es Daniela, die uns zwei Dabab-Fahrer (Sammeltaxi) organisiert hat, die dann großartiger Weise für 5000 Rial die ganze Sache erledigt haben. Mir taten die Armen ganz schön leid, denn normalerweise ist man schon fertig, wenn man in unserem Haus nur so in den vierten Stock geht. Aber das dann auch noch mit schweren Polstermöbeln, ist echt eine Herausforderung. Dennoch war ich riesig froh über die Hilfe und die Beiden dann auch über ihren Lohn nach getaner Arbeit. Ansonsten ist Heba, mehr oder weniger, zu Beginn dieser Woche ausgezogen und dann am Freitag nach Ägypten in den Urlaub zu ihrer Familie geflogen. Auch Christina hat am Mittwoch den Jemen verlassen und sich auf eine Reise nach Äthiopien gemacht, dass heißt die nächste Woche werde ich ganz allein im Haus verbringen. Ist schon irgendwie komisch aber andererseits genieße ich auch die Zeit nur für mich. Gestern habe ich den Tag genutzt und bin nach unten, in unseren eigentlichen Mafrash, umgezogen. Habe den Plan schon vor einer Weile geschmiedet, denn so ist mein Zimmer nun zum Wohnzimmer geworden und kann mit seiner Lage, direkt neben der Küche, einfach viel besser genutzt werden. Bisher war das Wohnzimmer nämlich im zweiten Stock und wurde kaum genutzt. Mein neues Zimmer ist nun doppelt so groß, was ich natürlich toll finde. Dennoch hat es den Nachteil noch ein bisschen lauter zu sein und es ist direkt neben dem Badezimmer in dem unsere Waschmaschine steht. Hört sich vielleicht erstmal ganz harmlos an, aber wenn ich Euch erzähle, dass mir dort gestern eine riesige Kakerlake begegnet ist, dann findet Ihr das sicherlich auch nicht mehr so toll. Es war zum Glück jedoch die erste dieser Art und hoffentlich auch die letzte, die mich hier beehrt hat. Insektenspray sei dank, wird mir diese Spezielle jetzt sowieso nicht mehr über den Weg laufen. Dennoch muss ich zugeben, hat mir dieses Vieh einen riesigen Schrecken eingejagt und jetzt bin ich natürlich ständig auf der Hut. Naja, drückt mir mal die Daumen… Wie so häufig ist es jetzt schon ziemlich spät geworden und ich werde mich mal ins Bettchen machen. Hoffe heute sehr, dass ich von Karsten träume, denn der ist auf einer Hochzeit und ich stelle mir schon den ganzen Tag vor, wie wir dort gemeinsam tanzen… die Sehnsucht nach der Ferne hat eben auch ihre Tücken… so wie die Sehnsucht nach den lieben Menschen daheim… So, jetzt macht es mal gut und passt auf Euch auf. Bis zum nächsten Mal,Eure Madeleine
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