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Nachdem der Käse mich gut voran gebracht hat, komme ich am Bocca Foggiale auf 1.950m an. Über den Kamm bläst der Wind derart stark und giftig, dass ich mich ganz eng in meine Regenjacke wickeln muss. Es bläst mich fast um. Den Grat überwunden trifft mich endgültig die volle Wucht des Windes, auf einen Schlag ist es saukalt. Ich blicke auf das Refuge di Ciottulu di i Mori auf 2.000m, hier wollte ich evtl. campieren und den 2.500m hohen Paglia Orba, genannt das Matterhorn Korsikas besteigen.
Leider hält mich der Wind und auch dicke schwarze Regenwolken, die den Gipfel bereits halb umschlungen haben, davon ab. Ich gehe zum Refuge treffe dort ein Pärchen das ich schon die ganze Zeit über immer wieder sehe. Er scheint sich recht gut auszukennen und ich frage ihn, wie lange es von hier zum Castel du Vergio ist. Er meinte nur, das Schlimmste hätte ich hinter mir es gehe nur leicht bergab, so ca. 2h. Die glaube ich ihm nicht, gehe aber trotzdem los. Der korsische Käse gibt mir einen Schub und ich freue mich derart über einen Weg, den man auch so bezeichnen kann. Endlich mal einigermaßen ein Weg der als solcher zu erkennen ist, kaum Felsen, "kaum" Steine im Weg, so dass man einigermaßen einen Fuß vor den anderen setzten kann, ohne Angst haben zu müssen gleich zu stürzen. Tatsächlich war es bisher so, dass selten tatsächlich ein Weg vorhanden war. Wenn da nicht immer wieder irgendwo die weiss/rote Markierung an irgendeinem Felsen, Stein, oder Baum gemalt wäre könnte man den "Weg" gar nicht finden. Die Tatsache, dass ein bequemer Weg vorhanden ist und der korsische Käse versetzen mich in eine Trance-Zustand. Vielleicht trägt die tagelange Schlaflosigkeit auch dazu bei. Auf jeden Fall renne ich wie ein geistesgestörter den Berg hinab, ich kann einfach nicht anders, ich muss rennen. Mein Blick konzentriert sich nur noch, wie eine Art Tunnelblick auf einen Radius von ca. 1,5m vor meinen Füssen. Alles geht irgendwie vollautomatisch, ich komme mir vor als wäre ich gar nicht dabei, als würde ich über mir fliegen und mir selbst dabei zuschauen, als würde ich ein Videospiel spielen, bei dem man nicht mit den Füssen so auftreten darf, dass die Spielfigur abstürzt.
Wir sind in Level 22, oder so. Ich habe bereits mindestens 15 meiner Wanderkollegen und mindestens nochmal 10 Tageswanderer sprich Touristen überholt. Ich renne an denen vorbei, wie die Typen, über die ich mich sonst immer wundere. Jetzt weiß ich, dass das eine Art Krankheit ist, die einen einfach nur überfällt. Nach drei Stunden komme ich in Castel di Vergio an und habe dabei entgegen der Aussage des Typen von vorhin sogar eine Stunde eingespart. Seine 2 Stunden waren das was man eine grobe Schätzung nennt, leider voll daneben, ein Wegweiser sagt 4 h. Zu meiner Freude gibt es in Castel de Vergio einen echten Campingplatz, ebenfalls für 6 EUR aber dafür: einen kleinen, nein winzigen aber immerhin einen Supermarkt, eine richtige sanitäre Anlage mit normalen, also Sitz-WC, mit WARMER Dusche, richtig viel Platz fürs Zelt und einem Boden, der freudig die Heringe aufnimmt, sogar die der Quechua-Camper. Auf diesem Platz schlagen alle, die die letzten Tage gegenseitig aneinander vorbei gelaufen, geklettert oder gecampt sind wie in einer großen Gemeinde nebeneinander die Zelte auf. Da die Sonne die letzen Tage etwas schüchtern war, drohe ich Gefahr zu laufen, keinen Strom mehr zu haben. Die sanitären Anlagen haben jedoch Steckdosen womit ich auf dieser Tour nicht gerechnet habe. Deshalb habe ich auch kein Netzladegerät dabei. Die hübsche blonde Dänin von nebenan leiht mir jedoch gerne ihr Ladekabel und so kann ich morgen wieder mit einem nahezu vollen Akku starten. Als ich ihr als Dankeschön eine wasserdichte iPhone-Hülle (Aloksak, eine bessere Ziplock-Tüte von Globetrotter 3 St. für 'n paar EUR) schenke, ernte ich ein Lächeln und die besten Wünsche.
Danach sitze ich noch mit ein paar Franzosen beim Abendessen zusammen, die mir erklären, dass Quechua eine Hausmarke von Decathlon sei, glauben sie zumindest. Da ich ja nun wieder Strom habe kann ich noch das Wetter checken, entgegen aller bisherigen Vorhersagen stehen die Zeichen jetzt auf Sonne, für die nächsten 7 Tage :-)
Und zu guter Letzt nutze ich den Stromschub und das Internet-Paket um zu schauen was Apple heute Abend alles aus dem Hut zieht. Das kann ja wohl nicht sein, dass ich nicht auf dem Stand bin, was Apple betrifft!
- comments
Nico Du Apple Gott.
Bettina Schön zu lesen, dass es doch auch ein bisschen Geselligkeit in den korsischen Bergen gibt. Wenn auch nur mit den Quechua Franzosen... ;-)