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Es ist kalt.
Klirrende Kälte schmettert mir ins Gesicht. Sie pfeift durch alle Ritzen, alle Fluchtpunkte, in denen wir uns gerade noch verstecken wollten.
Es ist kalt geworden in Leipzig. Kalt ist es wahrscheinlich auch anderswo und die Sonne ist meine Geliebte geworden. Ich sah sie gestern, um die Mittagszeit, für ein paar Minuten, ein paar Augenblicke des Glücks. Du vermochtest mich glücklich zu machen, Licht. Mir ward leichter, als ich dich sah, und noch danach, als du und ich, wir uns schließlich voneinander abwenden mussten, hallte in mir noch dein goldenes Lächeln in Form der Glückseligen Leichtigkeit nach, wie sie dem Winter so gar nicht zu eigen ist.
Ich sah Dich und wusste: Das ist es. Jetzt weiß ich endlich, wen ich nur lieben kann. Für uns ist es festgelegt, wann wir uns sehen. Wir können uns nicht immer sehen, das ist unmöglich und gut so. Denn ich weiß genau, würde ich Dich immer sehen, könnte ich Dich nicht lieben. Ist das nicht paradox? Aber es ist so. Vielleicht geht es Dir mit mir ja genauso, mein Schatz.
Du bist ein großer runder, goldener, manchmal roter und orangefarbener, manchmal nur kümmerlich hellgelb durchscheinender, jedoch immer majestätischer Schatz für mich. Mein ganz eigener,und ich hoffe jeden Tag, dass du mir nie, nie gestohlen wirst, weil ich nicht weiß, was ich ohne Dich machen sollt.
Schneetreiben vor der Tür, ungewöhnlich früh in diesem Jahr. Schnee, noch vor Weihnachten! Wie das?
Doch auch den wunderbaren Schnee bekomme ich nur selten bei Tageslicht zu Gesicht. Es ist ungemein schwierig geworden, bei diesen kurzen und kürzer werdenden Lichtphasen, genau die Zeit des Lichtes abzupassen, wenn man draußen ist. Manchmal ist es mir tagelang unmöglich gewesen. Das macht traurig und treibt mich immer mehr mit meinen Gedanken in die Arme des Landes, weil ich denke, dass dort alles besser sein muss. Mehr Licht, weniger Urbanität. Dies ist mein zweiter bewusster Winter in der Stadt und ich stehe immer noch mit der Stadt auf Kriegsfuß. Nicht unbedingt mit Leipzig, jedoch mit der Stadt als ein Gebilde aus hohen Mauern, die sich einem in den Weg stellen, großen Straßen mit viel schlechter Luft von Autos, die man aber notgedrungen ja einatmen muss, wenn man dort entlang muss. Häuser, so weit das Auge reicht. Und das Auge kommt nicht weit, es wird gebremst, wenn man nicht gerade auf den höchsten Turm der Stadt steigt. Da steht man dann, umringt von totem, nicht organischem, außer den Menschen, die so anonym wie möglich um einen herum hasten. Warum nur, rückt sich immer wieder das Bild von der Stadt als Höllenort in meine Gedanken? Es vergeht leider kaum ein Tag, an dem ich nicht insgeheim die Stadt um mich herum heruntermache in Gedanken. Düster schaue ich sie dann an, oder ich blinzele nach oben und mag die Sterne sehen und mir vorstellen, ich würde auf einem Feld stehen, aber trotz unbewölkter Nacht sehe ich sie selten.
Ich habe schon oft versucht mich mit ihr anzufreunden, fast jeden Tag gebe ich ihr aufs neue die Chance, oft werde ich enttäuscht und öfter horche ich einfach nur in das Nachtrauschen und ich höre eine Krankenwagen, der zu Hilfe eilt und einen Bus, der mit viel Gebrause und Unfrieden vor meiner Tür hält, um dann unstetig und unruhig innerhalb kürzester Zeit wieder anzuschwellen und sich auf den Weg zu seinem nächsten unruhigen Niederlassungspunkt zu tosen.
Es ist kalter klirrender Schnee, kein warmer. Das klingt jetzt komisch, ich finde aber schon, dass es unangenehmen und angenehmen Schnee gibt, der eine kälter, der andere wärmer. Der warme Schnee hat viel größere Flocken und macht ein bisschen taub. Dann wird alles ein bisschen stiller und besinnlicher im urbanen Raum, der ständig am Hasten ist, aber nicht am Leben. Dann bin ich ein bisschen versöhnt mit der Stadt, wenn sie so bezuckert und zutraulich aussieht und ihre Augen eigentlich sagen: Ey, im Grunde bin ich ganz lieb, nicht so hart, wie du immer denkst. Ich tu' keinem was zu Leide.
Die Stadt als Wolf im Schneeweißen Schafspelz. Aber ich bin schon mal froh, dass es im kalendarischen Spätherbst doch noch Schnee gibt.
Wenn die Göttin ihre Strahlen auspackt, macht sie das Stadtleben auch ein wenig annehmbarer. Am besten lässt es sich jedoch im betrunkenen Zustand ertragen, wenn es nur noch halb so viele Eindrücke sind, die auf mich einströmen, kommt das Hirn endlich zur Ruhe.
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