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Nach relativ kurzer Zeit ein kleines Update: Ich lebe noch! Und bin um eine (Touri-)Erfahrung der ganz anderen Art reicher; wir waren am Dienstag für einen Tag in Kaesong, Nordkorea.
Wir haben den Trip schon vor etwa 2 Monaten gebucht und die ganze Zeit gehofft, dass Nordkorea nicht vorher die Grenze schließt. Wir hatten Glück - NK hat vor ca. zwei Wochen angekündigt, die Grenze zum 01.12. zu schließen. Allerdings ist nicht ganz klar, ob die Tour nach Kaesong dann auch eingestellt wird, oder was überhaupt eingestellt wird (sonderlich viel passiert an der Grenze sowieso nicht). Ich war schon echt gespannt vor der Tour (ok, Untertreibung, ich war wirklich aufgeregt!), vor allem nachdem uns bei der Tour zur entmilitarisierten Zone (DMZ) von amerikanischer Seite eingetrichtert worden ist, dass da oben der Feind lebt, und dieser bei jeder falschen Bewegung schießen könnte. Bei der DMZ Tour durften wir nicht einmal in Richtung NK zeigen, weil ja wie gesagt diese nordkoreanischen Monster nur auf Gründe zum Schießen warten und am Dienstag sind wir dann „einfach mal" hingefahren. Allerdings mussten wir erst einmal eine Stunde an dem gigantischen Transitgebäude (ein Relikt der „Sonnenscheinpolitik" des letzten südkoreanischen Präsidenten, der leider seit Februar durch einen Hardliner ersetzt wurde) auf südkoreanischer Seite warten bis die nordkoreanische Seite mit dem Frühstück fertig war (oder so was). Dann sind wir erstmal durch die DMZ gefahren und konnten das Propaganda Village (ein unbewohntes, nordkoreanisches Dorf, in dem bis vor kurzem 24/7 Propaganda über Lautsprecher tönte) und den höchsten Flaggenmast der Welt von nördlicher Seite bewundern. Im nordkoreanischen Transit Office wurden wir und unsere Taschen zum zweiten Mal gescannt, bevor wir offiziell einreisen konnten, wobei wir (leider) keinen Stempel in den Pass bekommen haben, da man sonst evtl. Schwierigkeiten bei der Wieder-Einreise nach Süd bekommen kann. Die nordkoreanischen Soldaten waren überraschenderweise auch Menschen und keine Monster, Orks oder ähnliches - sie wirkten sogar ziemlich nett und schienen es sehr interessant zu finden, mal Ausländer zu Gesicht zu bekommen (Das nordkoreanische Volk ist aus gegebenen Gründen das homogenste der Welt). Die Soldaten sahen sehr authentisch aus in ihren kommunistischen Uniformen, wir durften sie aber leider nicht fotografieren.
Auf dem Weg nach Kaesong, das nur 12 km nördlich der Grenze liegt, sind wir erstmal durch das Industriegebiet gefahren; seit 2003 ist dort eine Sonderwirtschaftszone (eingerichtet unter der Sonnenscheinpolitik von dem Hyundai Gründer, der ursprünglich auch aus NK kam), in der ausländische (also vor allem südkoreanische) Unternehmen investieren und billig produzieren können. Dort sieht man gar nicht, dass man nicht mehr in Südkorea ist. Sobald wir allerdings das Industriegebiet verlassen haben, sah man es schockierend deutlich; die Häuser sind super einfach und total heruntergekommen, alles ist grau/braun, die Feldarbeit wird anscheinend fast nur per Hand gemacht, man sieht so gut wie keine Autos auf den Strassen und die Leute sehen auch alle grau/braun/schwarz aus... wirklich deprimierend also.
Als ersten Programmpunkt mussten wir uns einen ziemlich langweiligen Wasserfall angucken - die ganze Tour wird ja von NK als Kulturtrip verkauft, da Kaesong vor ca. 1000 Jahren mal die Hauptstadt des vereinigten Koreas war. Das hieß also, bei Minusgraden erstmal mit den anderen 100 Koreanern unserer kleinen Reisegruppe durch die Berge stratzen...
Generell waren die offiziellen Programmpunkte eher weniger spannend; die ganzen Tempel etc haben wir ja hier schon in verschiedensten Ausführungen gesehen, wobei die nordkoreanischen Versionen nicht so hässlich restauriert worden sind wie die meisten Tempel hier. Das eigentlich Interessante war das, was man aus dem Bus heraus sehen, aber leider nicht fotografieren konnte; wir durften nur an den jeweiligen Sightseeing Orten fotografieren und da auch nur so, dass weder Soldaten noch Zivilbevölkerung auf den Bilder sind, von daher sind die Fotos nicht wirklich aussagekräftig.
Auf dem Weg zum Wasserfall sind wir ein Stück über Land gefahren, dabei hat man gesehen, dass überall angebaut wird und es praktisch gar keinen Wald mehr gibt. Zwischendurch standen immer Soldaten in der Landschaft herum, was etwas absurd wirkte. Auch hier waren die Strassen komplett leer und unsere sechs Busse plus die 5 Jeeps, die uns eskortierten waren so ziemlich die einzigen Fahrzeuge.
Zum Lunch gab es etwas typisch nordkoreanisches, was sich allerdings nicht großartig von südkoreanischen Essen unterscheidet (aber besser gewürzt war!). Es hat wirklich gut geschmeckt, auch wenn die Vorstellung, dass in diesem Land so viele Leute hungern, hat nicht unbedingt Appetit geweckt. Während des Essens wurden wir von Nordkoreanerinnen bedient, die ungefähr in meinem Alter waren. Juhye fand es total spannend und musste sich unbedingt mit einer besonders süßen Nordkoreanerin (das war ihre Aussage) fotografieren lassen. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass Juhye das ganze einfach als total exotisch und spannend gesehen hat (was es ja auch ist), ohne wirklich zu realisieren, dass das keine lustige Game Show und zudem nur 40 km von Seoul weg ist.
Martine und ich haben nach dem Lunch mit einer Südkoreanerin geredet, die erzählt hat, dass ihr Mann aus NK kommt und mit 13 Jahren (vor dem Krieg) ganz alleine nach Südkorea geflohen ist. Die beiden leben jetzt in den USA und es war das erste mal, dass er wieder in NK war. Er kam sogar aus Kaesong, konnte aber nicht herausfinden, ob seine Familie noch lebt. Solche Geschichten hört man hier leider viel zu oft. Im Alltag scheinen die meisten Südkoreaner aber recht wenig über die politische Situation nachzudenken und ich habe das Gefühl, vor allem, die Jüngeren interessiert es auch nicht so wirklich.
Auf der Fahrt durch Kaesong sind wir u.a. auch an dem Bahnhof vorbeigefahren; einem riesigen, sehr kommunistisch aussehenden Gebäude, dass durch ein gigantisches Plakat von Kim Il-Sung geschmückt wird. Mein Buddy Juhye, die wir als Übersetzer mitgenommen haben, meinte dass der nordkoreanische Touri-Guide immer von dem geliebten Führer geredet hat. Ansonsten hat Juhye ihren Übersetzer Job allerdings nicht besonders ernst genommen. Gott sei Dank konnte einer der südkoreanischen Führer etwas Englisch.
Alles in allem war die Tour wirklich spannend, aber ziemlich deprimierend. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Kaesong noch eine der wohlhabenderen Gegenden in NK ist.
Wieder in Seoul angekommen, sind wir dann erstmal zu Dunkin Donuts und man konnte sich sofort gar nicht mehr vorstellen, dass da so eine völlig andere Welt nur wenige Kilometer weg ist.
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