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Honeymoon of Seraina und Erich
Auf der Via Appia Antica zu den Naturpärken rund um Rom
Heiter leuchtet sie im frühen Abendlicht, die grob gepflasterte Via Appia Antica. Mal schnurgerade, mal in leichter Kurve läuft sie dem Horizont entgegen, gesäumt von breiten Randstreifen, die durch niedrige Mäuerchen vom Land dahinter getrennt sind. Marmorbrocken, Säulenstümpfe, Mauerreste säumen den Weg, Pinien reihen sich zur Allee, und der Vogel, der zu den letzten goldenen Sonnenstrahlen singt, könnte eine Nachtigall sein, während das Rascheln in der Hecke auf ein Stachelschwein hindeutet.
Bewegte Geschichte
Vor 2076 Jahren ging es hier weniger idyllisch zu: Damals hatte der römische Feldherr Pompeius gerade den rebellischen Sklavenanführer Spartakus und seine Mannen vernichtend geschlagen. Nie wieder sollten die Sklaven an Widerstand denken, schworen sich die Römer und kreuzigten kurzerhand zur Abschreckung gleich Tausende von ihnen. Alle 30 Meter zwischen Rom und Capua erhob sich ein Kreuz, an welchem sich ein Untertan in Todesqualen wand.
Sie hat viel gesehen, diese rund 540 Kilometer lange Verbindung zwischen Rom und Brindisi, die der römische Zensor Appius Claudius Ceacus 312 vor unserer Zeitrechnung zu bauen begonnen und auch gleich nach sich benannt hatte: Legionen, die ausrückten und meist siegreich zurückkehrten, Gladiatoren, die man zu ihrem letzten Kampf ins Kolosseum karrte, Fuhrwerke mit Vasen, Weihrauch und Gewürzen aus Griechenland und dem geheimnisvollen Orient. Die Räder haben Schrammen in den blauschwarzen Basaltplatten hinterlassen, die teilweise immer noch zu sehen sind.
Lebensader und Prachtmeile Roms war die Via Appia einst. Heute aber ist sie auf den 16 Kilometern, die sie auf Stadtgebiet verläuft, Teil des gleichnamigen Naturparks, eines von 19 in und um Rom. Die Ewige Stadt ist stolz auf ihre grünen Lungen. 73 Prozent der Gemeinde, rechnet die Parkverwaltung vor, sei nicht überbaut, Grün bedecke 64 Prozent der Gesamtfläche - damit sei Rom Europas Stadt mit dem höchsten Grünanteil. Jede Menge Möglichkeiten also für einen Abstecher auf Wiesen und unter Bäume, wenn man einmal das Kolosseum besichtigt, die Spanische Treppe bestiegen und seine Münze in den Trevi-Brunnen geworfen hat.
An den Quellen von Egeria, wo die Römer sich heiliges Wasser in grossen Kanistern zapfen, beginnt sogar ein Fahrradweg ins Tal von Caffarella. Weiden und Schilf säumen den kleinen See, auf dem im Frühling die Zugvögel zu Hunderten einfallen, eine Schafherde zieht über die hügeligen, mit Eichen und Pinien bestandenen Wiesen, und gleich dahinter erheben sich, fast einer Stadtmauer gleich, die letzten, die äussersten Häuser von Rom.
Weiter im Süden liegt der Naturpark «Decima Malafede». Die «heimtückische Gegend zehn Meilen vor der Stadt» verdankt ihren Namen der Malaria, mit der die Menschen hier jahrhundertelang zu kämpfen hatten. Erst um 1870 und noch einmal um 1920 wurden die Sümpfe trockengelegt - eine Fotoausstellung im Besucherzentrum Torre di Perna erinnert an das damals elende Leben der Landbevölkerung. Hier verkauft auch die 1977 gegründete Kooperative «Agricoltura nova» im eigenen Laden biologischen Schafskäse, Honig und Salami. Und ein schmuckloses Restaurant bietet an seinen langen Tischen 300 Personen Platz, und trotzdem empfiehlt es sich, an Wochenenden rechtzeitig im Voraus zu buchen: Graupensuppe, Strozza preti, «erdrosselte Priester» also, eine Pastasorte mit Kürbis, saftiges Schweinskotelett mit Polenta und Fenchel sowie Kaffee und Mandelkuchen für 20 Euro - das lassen sich auch die kulinarisch anspruchsvollen Römerinnen und Römer nicht entgehen.
Volkstümliches Essvergnügen
Noch bekannter ist der Park «Castelli Romani», einerseits des berühmten Weinfests von Marino wegen, bei dem einmal im Jahr Rebensaft aus den Brunnen der Stadt sprudelt, andererseits wegen Castelgandolfo, der päpstlichen Sommerresidenz hoch in den Hügeln. In der frischen Bergluft geniessen vermögende Römer ihre zum Teil eindrücklichen Landsitze. Ein schöner Spazierweg führt um den tiefblauen Vulkansee Lago Albano. Der freilich hat schon bessere Zeiten gesehen: 1960, im Jahr der Olympischen Spiele in Rom, lag sein Spiegel wesentlich höher. Die Säulen, an deren Spitze die Ruderer damals festmachten, ragen heute drei, vier Meter aus dem Wasser: In den Villen spart man eben nicht am Nass.
Im Unterholz trocknen dünne Reisigbündel. Sie dienen zum Beheizen der Öfen, in denen das berühmte Brot von Genzano mit seiner tiefbraunen, krachenden Kruste gebacken wird. Am besten schmeckt es in einem der Strassenrestaurants in Arriccia - zusammen mit einem Becher Wein aus Marino und Tellern voller Parmaschinken, Schweinswurst, Pecorino, eingelegten Paprikas, Zwiebeln, Oliven und Auberginen - und natürlich auch einer Portion «Porchetta Arriciana», Spanferkel, das mit einer Paste aus Pfeffer und Rosmarin eingerieben und sanft im Ofen gebacken wurde: erlesene Genüsse auf Plastictellern, während im Fernsehen Fussball läuft und vor der Theke Trauben von Neuankömmlingen mehr oder weniger geduldig auf einen freien Platz warten - wahrlich der angemessene Abschluss einer Erkundung der grünen Gefilde von Rom.
Franz Lerchenmüller
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