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Obwohl ich jeden einzelnen Tag in Berlin von morgens bis abends unterwegs war, habe ich trotzdem bei weitem nicht alles gesehen und unternommen, was ich mir ursprünglich so vorgestellt hatte. Zum Beispiel wollte ich viel mehr abends und nachts machen und gar nicht so viele anstrengende Dinge tagsüber. Das ist ja immer das Problem mit großen, attraktiven Städten: Es gibt so viele Möglichkeiten, aber man kann einfach nicht Tag und Nacht wach sein. In viel mehr Konzerte wollte ich gehen, aber so richtig konnte ich mich nie entscheiden oder auch einschätzen, was für Musik mich da erwarten würde. In's Theater wollte ich gehen, aber die großen Häuser hatten alle Theaterferien (hätte ich eher dran denken können). Tanzen gehen ist auch so eine Sache, wenn man nicht mehr so gerne auf U30-Partys geht. Für den nächsten Besuch übrig geblieben ist ausserdem: zum Sonnenuntergang auf den Alex, eine richtige Plattenbausafari, Mauerradweg Richtung Süden, Klamotten shoppen gehen, eine Führung durch das ehem. Stasigefängnis, das Humboldtforum und das eine oder andere Museum (, das ich wegen zu gutem Wetters ausgelassen habe).
Stattdessen habe ich zusammen all den lieben Leuten, die mich in Berlin besucht haben, die Café-Szene überblickt und auch Restaurants und Kneipen eingehend erforscht. Mit Ute und Hugo habe ich herausgefunden, dass man das beste Frühstück im "Café Übersee" am Landwehrkanal bekommt. Ansonsten fand ich essen und trinken irgendwo auf der Oranienstraße am spannendsten, weil man zu jeder Tageszeit dort gleichzeitig interessante Menschen gucken kann. Mit Harald war ich in der "Henne", wo es nur Hähnchen (und nicht Hennen) gab und der Biergarten im Tiergarten war auch nicht schlecht.
Mit Kristina und den Rädern habe ich eine Fotosafari auf der Jagd nach alten Industriegebäuden gemacht. (Was in Berlin schon einiges an Recherche erfordert, sieht man in Polen übrigens an allen Ecken und Enden.) Mit Jörg und dem Auto bin ich draussen in Potsdam gewesen. Mit Julia war ich am Wannsee schwimmen, als gerade das Eis- und Getränkebötchen vorbei kam. Ziemlich genial, alles.
Eine weitere Aktion war der Besuch beim Morgenmagazin. Sehr lustig. Die Sendung des ZDF Morgenmagazins wird zweiwöchenlich aus Berlin ausgestrahlt aus dem ZDF-Hauptstadtstudio Unter den Linden. Wie ich genau auf die Idee gekommen bin, weiss ich gar nicht mehr. Aber ich habe für Kristina und mich für den Dienstag, als sie da war, noch zwei Karten (kosten nix) bekommen, mit anschliessender Führung durch das Haus. Mit Publikum ist nur die letzte Runde des Morgenmagazins, d.h. von 8:30 bis 9. Wir sollten um kurz nach 8 da sein, wurden dann eingwiesen, plaziert und es ging los. Leider waren wir beide wohl die einzigen Zuschauer, die überhaupt nie im Bild waren.
So interessant war die Sendung selber eigentlich gar nicht, lustig allerdings war die Feststellung, dass das Konzept des Morgenmagazins vollkommen an der Zuschauerzielgruppe vorbei geplant ist und trotzdem erfolgreich zu sein scheint. 80% der mit uns anwesenden Besucher waren über 65; das entspricht sicherlich auch der Zuschaueraltersgruppe an den Fernsehern. Die paar wenigen jüngeren Leute wurden aber so gezielt an die Theke und damit in den hauptsächlich zu sehen Hintergrund gesetzt, dass man von einem ausgewogenen Alterschnitt hätte ausgehen können. Die Themen der Sendung waren ähnlich kurios ausgewählt. Wer über 65 hat je von Julia Engelmann der Poetry-Slam-Frau gehört? Zum Schluss spielte dann eine deutsche No-Name-Nachwuchsband aus Frankfurt genau die Musik, die meine Eltern immer hören, oder nicht?
Wo ich überall mit dem Fahrrad war, habe ich bereits aufgezählt. Sympathisch von den Berlinern fand ich den flexible Umgang mit Radwegen und roten Ampeln. Wohl jeder Verkehrsteilnehmer sieht ein, dass man mit dem Rad NICHT über Kopfsteinpflasterstraßen fahren kann und deswegen den Bürgersteig nehmen MUSS. Da wegen der Sommerferien halb Berlin nicht auf den Straßen unterwegs war, war das Fahrradfahren wirklich sehr entspannt. Besonders durch die lauen Sommernächte auf dann wirklich leeren Straßen durch die Stadt zu düsen, war einfach cool.
Von der wirklich und absolut genialen Wohnung, in der ich vier Wochen lang gewohnt habe, habe ich noch gar nichts erzählt. Die Lage: zentraler und trotzdem ruhiger geht es gar nicht. Axel-Springer-Straße, direkt gegenüber vom Axel-Springer-Hochhaus, direkt neben der Bundesdruckerei und ursprünglisch unmittelbar an der Mauer. Zum Check Point Charlie mit dem Rad nur ein paar Minuten, zum Potsdamer Platz , Brandenburger Tor oder Alexanderplatz ein paar Minuten mehr in die anderen Richtungen, die Oranienstraße fängt direkt an der Ecke an und das jüdische Museum ist gerade mal 500 Meter entfernt. Der Hintergrund: Das Haus ist trotz der "großen" Nachbarn das mit Abstand geschichtsträchtigste. Erbaut im 18. Jahrhundert, war es mal ein Kloster und eines der ersten Mietshäuser Berlins. Seit ein paar Jahrzehnten sind es Künster-Wohnungen mit viel Platz und großen Ateliers. Die Ausstattung: Mit "minimal impact" würde ich den Ausbauzustand der Wohnung, in der ich war beschreiben. Was man unbedingt zum wohnen braucht, ist da wie: Badezimmerausstattung, Küche, Heizung in den wichtigsten Räumen, Strom, Wasser, Internet. Aber nicht so lebenswichtige Details eben nicht. Dafür sind's 180 qm und Decken bis in den Himmel. Im Flur alleine hätte man Tango tanzen können. Danke, Ute, nochmal für die Vermittlung!!! :-)
Zum Haus dazu gehört schon seit den 70ern Heidi, die im Innenhof ein kleines Café betreibt und dir jede Geschichte erzählen kann, die du hören möchtest. Zum Beispiel wie es war als die Mauer gefallen ist. Sie sagt, sie hat es überhaupt nur mitbekommen, als plötzlich spät am Abend Menschen im Schlafanzug und Morgenmantel bei ihr im Café auftauchten und ihren ersten West-Kaffee trinken wollten. Völlig euphorisch-kopflose Ost-Berliner, die an dem Abend, als die Mauer fiel, nicht wussten, ob das alles nicht nur für ein paar Stunden so sein würde. Da hat man eben keine Zeit, um sich was Vernünftiges anzuziehen.
So habe ich nach vier Wochen Berlin das Gefühl bekommen, dass es ein bisschen meine Stadt geworden ist, ein kleines bisschen. Auch wenn ich nicht weiss, wie man mit der U-/S-Bahn auch nur irgendwo hinkommt.
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