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Liebe Leute in fernen Ecken der Welt, besonders an diese Deutschen im kalten Schland, die sich meine Familie und Freunde schimpfen. Ich erweise euch nun die Ehre in einer Sprache zu schreiben, die mir eigentlich wie geschmiert von den Fingern laufen sollte, tut sie aber nicht, weil…naja, ich sogar in Englisch träume und zähle. Von daher, wenn irgendetwas, das ich schreibe, bekloppt oder falsch klingt, dann macht euch lustig und denkt euch, die hat nen Schaden weg! Das juckt mich nämlich nicht.
Also, meine Lieben, ich wohne jetzt in einem Städtchen namens Alyangula auf einer Insel namens Groote Eylandt. Groote Eyland heißt „große Insel" auf Niederländisch. Irgendsoein Niederländer hatte wohl die Ehre, den Namen vergeben zu dürfen, warum auch immer. Und außerdem gehe ich einer wohlbekannten Tätigkeit nach, ich bin Au-Pair.
Das Objekt meiner Arbeit: drei wunderhübsche Knaben aus dem Hause Lovington. Der 4-jährige James. Manchmal habe ich Kidnapp-Gedanken, weil ich diesen Burschen gerne stehlen würde. Er ist nämlich soo putzig und superwitzig. Szenario: wir saßen so nebeneinander im Pool, nachdem wir unsere Milchshakes geschlürft haben und ich meine: „wir sitzen hier ja wie die Könige" und er erwidert: „genau, das Leben könnte gar nicht mehr besser werden!" Der nächste Knabe hört auf den Namen David und ist 5 Jahre alt. David ist der Erste, dich zu trösten, wenn du dir wehtust, der Erste, dir zu helfen, wenn dir etwas herunterfällt und er hat einfach den wunderbar verschmitztesten Blick der Welt. Sein treuster Gefährte: ein Hund aus Plastik, der gerne rülpst und furzt und auf den Namen „pooballs" (Scheißhaufen) hört. Der Älteste im Bunde ist der 8-jährige Jackson, zukünftiger Geldabzieher und Staranwalt. 3 Worte der Beschreibung: Rabauke, Rabauke und Rabauke. Zitat Jackson: das war ich nicht.
Die gigantösen Macher des Trupps: Belinda, 37, ist eine Verwirklichung der Eigenschaft „Herzlichkeit". Sie verteilt gerne Essen und Umarmungen und Lächeln. „Such dir dies und jenes im Supermarkt aus", „Willst du wirklich keine Süßigkeit?", „Brauchst du noch Klamotten?", „Guck, ich hab hier noch ein Buch für dich", „Ah, du kannst diese und jene Medizin nehmen", etc. Das ist die Belinda, die in Tränen ausbrach, als ich ihr das Weihnachtsgeschenk, Portraits der Jungs, überreichte.
David - „Davo", „Big David", „Daddy" - ist Amerikaner, 51, und eine Harald-Version plus sehr gute Kochfähigkeiten und Humor. Ein Riesenlulatsch, Schuhgröße 48, ein ausgezeichneter Handwerker und Ehemann, hat den Jungs ein Piratenschiff gebaut, das im Garten thront. Es hat sogar ein Unterdeck mit Gitterfenster. Er kocht die genialste Blumenkohlsuppe und backt einen fies guten Apfelkuchen. Wie jeder gute Mann ist sein Hobby das Googeln und in Ebay-Anschauen von Messern, Uhren, Möbeln und allerlei handwerklichen Dingen. Ansonsten kuschelt er gerne mit seinen Sohnemännern.
Äußerliche Umstände: das Haus steht auf Stelzen (wie viele Häuser in Australien), um eine bessere Durchlüftung zu ermöglichen. Unter dem Haus ist ein Waschraum und eine Sitzecke, das Auto steht auch immer darunter. Der Garten sieht aus wie ein Kinderparadies: ein Riesentrampolin, ein Piratenschiff, ein Pool, der Wasser spuckt, ein romantischer Holzpavillon, ein Aussichtspunkt, um Buschtiere zu beobachten und ein Sandkasten. Im Garten treiben sich so einige Tiere rum: die Kragenechse ist eine sehr große Echse mit einem ausklappbaren Kragen am Hals. Wenn sie sich bedroht fühlt, klappt sie den Kragen aus (um größer zu erscheinen?). Das witzigste ist die Art des Laufens, und zwar läuft sie nur auf den Hinterbeinen und nicht auf allen Vieren wie eine anständige Echse, das verleiht ihr einen sehr witzigen Hoppelgang. Dann gibt es Wallabys. Und leider habe ich noch gar keins gesehen. Termiten treiben auch ihr Unwesen. Außerdem mag es die australische Fauna farbenfroh, von grünen und lilafarbenen Ameisen über knallbunte Vögel. Von Spinnen und Schlangen will ich gar nicht sprechen. Und das ist nur, was sich so im Garten rumtreibt.
Ich hatte letztens den Gedanken, dass der lokale Ozean hier der fantastischste Ort ist, um einen Selbstmord zu begehen. Man stelle sich vor: herrlich weißer Sand, türkisblaues Wasser, strahlend blauer Himmel. Du läufst über den kuscheligen Sand, lässt das kühle Wasser deine Zehen umspielen, watest hüfttief hinein und tauchst dann genießerisch unter. Was als nächstes passiert: zehn verspielte, auf die Berührung tödliche Quallen kuscheln mit deiner Haut, währenddessen vergnügt sich ein 6-Meter-Krokodil mit deinen Beinen und ein Hai lutscht nicht allzu sanft an deinem Kopf. Danach tauchst du wohl nicht mehr auf. Ich bin auf ewig abgeschreckt, auch nur meine Fingerspitze in das Wasser zu verfrachten.
Für mich konkret heißt das, ich gehe wohl besser nicht im Dunkeln entlang des Strandes joggen, wenn ich nicht ausversehen auf ein Krokodil latschen möchte. Für die Kinder heißt das: ach was soll's! Der Strand ist trotzdem ein toller Spielplatz und lass mal Krabben suchen gehen.
Neben all dem ist Groote Eylandt aber eine Insel der Ureinwohner, den Aborigines. Die haben praktisch schon immer auf der Insel gewohnt. Die Aborigines haben sehr dunkle Haut und sehr lockige, meist krause Haare. Ihre Gesichtsanzüge haben stark was von den Neandertalern. Sie haben sehr eckige Knie wie Harry Potter :) Sie laufen meistens barfuß herum. Normalerweise würden die Kinder nackt herumlaufen, aber die Weißen möchten, dass sie sich etwas anziehen, wenn sie in die Stadt fahren. Die Aborigines leben nun seit 40 Jahren mit den Weißen zusammen, wenn auch in separaten Gemeinschaften innerhalb der Insel. Auf der Insel gibt es eine Mine, in der Magnesiumerz abgebaut wird, das ist der Grund, warum die Weißen sich dort überhaupt aufhalten. Alle Weißen, die auf der Insel wohnen, haben also irgendwie mit der Mine zu tun, so auch meine Gasteltern. Die Minenfirma bezahlt den Ureinwohner zweimal im Jahr Gelder für die Erlaubnis dort abzubauen. Das heißt, zweimal im Jahr erhält jeder Ureinwohner Geld, zwischen 7.000 und 15.000 Dollar pro Person. Die Aborigines wissen zumeist nicht allzu genau, was sie mit dem Geld anstellen sollen. Also am Tag der Auszahlung ist die Shoppingmeile zum Bersten voll mit Aborigines. Leider besteht die Shoppingmeile nur aus einem Schreibwarenladen, einer Apotheke, einem Postamt und einer Bankzweigstelle. Schlaue Weiße, die wissen wann der Auszahltag ist, stellen dann ihre Autos zur Schau, die sie verkaufen wollen. Also geben die Aborigines ihr Geld wahllos für Autos aus oder verspielen es. Da juckt es niemanden allzu sehr, wenn der Ehemann über Nacht 10.000 Dollar verliert. Die Aborigines haben kaum ein Konzept von weder Geld noch Zeit. Sie haben für tausende von Jahren nur im Heute und Jetzt gewohnt und dann kommen die komischen Weißen an und geben ihnen Geld und eine Zeiteinteilung, mit der sie gar nichts anfangen können. Die Mine bemüht sich zwar mit allen Mitteln Ureinwohner einzustellen, aber die haben meistens gar kein Interesse daran, überhaupt zu arbeiten. Und meistens erscheinen sie dann zu spät oder gar nicht zur Arbeit und müssen auch nicht so viel Arbeit leisten. Diese Jahre aber wächst eine interessante Zwischengeneration von Kindern auf, die zur Schule geht und mit den Konzepten der Weißen sowie der Ureinwohner vertraut gemacht wird. Die Weißen möchten den Aborigines eine Zukunft geben und ihnen Handwerke wie Elektriker und Klempner beibringen, aber alle wissen, dass die Aborigines in ihren alten Lebensstil zurückverfallen werden, den sie tausende von Jahren geführt haben, wenn die Mine in 20 Jahren schließt, was sie nämlich tut.
Das Familiensystem der Aborigines ist in eine Hierarchie gegliedert, es gibt also Familien, die minderwertiger sind als andere. Es hängt auch von der Hierarchie ab, wie viel Geld man zweimal im Jahr von der Mine erhält. Jeder Aborigine hat einen Giftvetter. Niemand kann sich mit seinem Giftvetter im selben Raum aufhalten. Meine Gastmutter wollte ein Interview mit 2 Aborigines führen, das war ihnen aber nicht möglich, weil sie Giftvetter waren. Zu Beginn gab es auf der Insel ganz normales Benzin, aber die Aborigines sind davon abhängig geworden, weil sie daran riechen, deshalb stattet die Mine die Insel mit einer anderen Art von Benzin aus und das ist auch nur halb so teuer wie auf dem Festland. Sie leben in kleinen Gemeinschaften rund herum um die Insel, in vielen dieser Gemeinschaften sind keine Weißen erlaubt und an vielen Orten im Inland der Insel ebenfalls nicht. Um zu einem Wasserloch zu fahren (zum Schwimmengehen) musste ich mir eine Landgenehmigung besorgen, trotzdem sind die Weißen nicht an allen Stellen erlaubt, vor allem wenn gerade ein Aborigine gestorben ist, dann sind viele Pfade verschlossen für die Weißen.
Ansonsten bin ich jetzt gerade zu müde, mehr zu schreiben. Ein andermal mehr! Und Bilder folgen in spätestens einer Woche, denke ich. Aber ich kann nichts versprechen.
Ich umarme euch!
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