Profile
Blog
Photos
Videos
Recoveco. Zu Deutsch in etwa "Schlupfwinkel". So nennt sich der Ort/ das 16 Hektar große Grundstück, welcher/s sich 17km entfernt vom kleinen Örtchen Villa Serrana in Uruguay befindet. Teerstraßen? Straßenlaternen? Strom vom Netz? Geschäfte? Busverbindung? Fehlanzeige!!! Hügel, Wiesen, Kühe, Pferde, Fluss, "Gebüsch", Eukalyptusplantagen/-plagen, Einsamkeit, Ruhe, Harmonie, Natur pur....- einfach wundervoll.
So richtig weiß ich nicht, wo ich anfangen und wo ich enden soll, wenn ich von meinen letzten 2 1/2 Monaten berichten möchte.
Recoveco hat mich jedenfalls geschluckt. Ich war so gesehen von der Zivilisation abgeschieden (abgesehen davon, dass ich, wenn ich den Berg hinaufgestiefelt bin mit meinem Laptop und einem Internetstick eine schlechte Internetverbindung hatte, die mir wenigstens erlaubte Emails zu schreiben).
Ich bin über workaway.info an dieses Projekt von weltverbesserischen Leuten gelangt. Hochgestecktes Ziel ist die Autarkie von der Konsumgesellschaft. Es wird wahrscheinlich nie gänzlich erreicht werden, da die Kinder auch zur Schule gehen sollen und allein somit der Kontakt und der Eintritt in die "Außenwelt" geschaffen wird (abgesehen ist es so ganz ohne Geld eben doch noch nicht möglich und genau genommen ist die Konsumwelt und Globalisierung ja nicht grundsätzlich schlecht). Vielleicht ist es daher verständlicher, wenn ich es anders ausdrücke und nicht den Begriff der Autarkie verwende:
In Recoveco leben ein paar wenige Menschen/ Andersdenker in einer Gemeinschaft, die ein Leben mit der Natur wünschen, die lediglich Solarstrom haben, die ihre Häuser hauptsächlich aus Naturmaterialien bauen, die Recyclen was nur geht, die ihr Essen in wenigen Jahren gemäß Permakultur gerne komplett selbst anbauen wollen, die unabhängig von Großkonzernen wie z.B. Monsanto (http://de.wikipedia.org/wiki/Monsanto ) sein wollen, die unsere Umwelt und Nahrungsmittel, sowie die Tierwelt vernichten wollen. Motiv: Geld, Macht, Einfluss - das übliche eben. [Ich habe erst kürzlich eine Doku gesehen, die belegt, dass bei Ratten, die von Monsanto genmanipulierten Mais gegessen haben, die Krebsrate um 600% steigt. Und es handelt sich hier um menschengroße Tumore - einfach unglaublich. Diese Tests wurden von einem unabhängigen Labor in Frankreich durchgeführt. Nun ist es leider so, dass es in Süd Amerika - im Gegensatz zu Europa - 0% Verbraucherschutz und wenig Reglementierungen gibt. Somit müssen die Menschen, die nicht auf Mais-, Soja- und Getreideprodukte aus dem Supermarkt verzichten wollen, den Scheißfraß konsumieren. Alternativen gibt es kaum, da Monsanto den Markt dominiert...]
Ich habe den 21.12.2012, Weihnachten und Silvester dort verbracht. Den Übergang von Frühling in den Sommer beobachten können. Habe viel körperlich und geistig gearbeitet (wobei es sich nicht einen Moment nach Arbeit angefühlt hat). Ich war mitwirkend bei einer guten Sache, die mich jeden Tag ganz und gar erfüllt hat. Dazu trägt bei, dass die Natur wunderbar war, Atmosphäre überwältigend und die Leute mich sehr, sehr gut aufgenommen haben. Ich konnte dort innerhalb dieser 2 1/2 Monate meine Spanischkenntnisse sehr gut voran bringen (hübscher uruguayischer Akzent ;)), habe sehr viel gelernt und meinen Wissenshunger und Aktivitätsdrang geschürt. Ich war in einem uruguayischem Radioprogramm zu hören, innerhalb welchem wir über gesunde Nahrungsmittel und die Problematik der chemischen Produkte auf den Feldern gesprochen haben.
Habe gearbeitet, um zu leben und nicht gelebt, um zu arbeiten. Vieles wird selbst gemacht. Von Marmeladen aus unreifen Pfirsichen (um die runtergefallenen zu verwerten) bis hin zu Lotionen aus Bienenwachs. Honig haben wir "geerntet" (und ja, man kann viel besseren Honig ohne Zuckerzuführung und Chemikalien erzeugen. Den Bienen geht es dann auch tatsächlich besser!!!), Pfirsichcidre gezaubert, mit dem Holzofen aus Lehm gebacken und gekocht (eine Gasplatte gab es dennoch, um nicht immer im Sommer den Ofen zünden zu müssen, wenn mal wieder eine Kanne Mate getrunken werden will).
Von Tag zu Tag stieg meine Energie und ich brauchte weniger Schlaf. Am meisten Spaß hat mir der Hausbau aus Lehm, Stein und Holz gemacht. Alles mit den eigenen Händen!!!
Der Dezember war der regenreichste seit Jahrzehnten wenn nicht gar Jahrhunderten. Der Fluss am Haus hatte demnach durch die ganzen Stürme eine Toleranz von ca. 3 Metern, was den Wasserpegel betrifft. Immer wenn der Wasserpegel wieder sank fand man eine veränderte Umgebung vor. Mal umgekippte Bäume, mal mehr oder weniger Sand am Ufer etc.. Alles ein stetiger Wandel... Das Wasser ist so klar, dass sogar Miesmuscheln sich sehr wohl im Fluss fühlen.
Und nicht nur diese auch meine geliebten Riesenratten aus Bolivien (Capybara oder in Uruguay auch Carpinchos genannt) habe ich wieder getroffen (sehr selten, aber ich hatte Glück sie einmal heimlich beobachten zu können).
Der Himmel war - so ganz ohne Lichter im Umkreis - immer sehr überwältigend. Die Fotos kratzen nur an der Oberfläche des realen Erscheinungsbild.
Die beiden Kinder, ein 3-jähriges Mädchen und ein 5-monatiger Junge, sind mir sehr ans Herz gewachsen. Ich habe viel Zeit mit ihnen verbracht. Beim Spielen mit Juana am Fluss kam man sich selbst wie ein Kind vor. Man entschlupfte in eine nahezu vergesse Welt. Die Welt aus Kinderaugen.
Viele mögen das Lebensweise in Recoveco als rückschrittlich bezeichnen. Für mich ist sie fortschrittlich und überaus wertvoll. Dennoch ist sie nicht unbedingt einfach mit dieser modernen Welt in Einklang zu bringen.
Uruguay ist prozentual gesehen einer der größten, wenn nicht der größte Sojaproduzent. Nach Argentinien ebenfalls der größte Fleischproduzent. Es gibt wenig Menschen, viele Wiesen mit Kühen, die die Vegetation zerstören und viele Felder. Einheimische Baum- und Pflanzenarten schwinden mehr und mehr. Eine traurige Entwicklung, die in tausenden von Ländern ähnlich zu beobachten ist. Ein Trauerspiel. In Recoveco gibt es keine Kuh, nur ein Pferd, welches durch das Gebüsch streift. Dies ist der Grund, warum Bäume ungehindert wachsen können. Heimische Arten wurden gesucht und ausgepflanzt. Diese 16 Hektar entwickeln sich somit durch dieses (noch sehr junge Projekt) hin zu einer Oase in der Hügel-Wiesenlandschaft.
Vieles in Uruguay scheint auf den ersten Blick europäisch. Doch merkt man recht bald, dass man sich eben nicht in Europa befindet (u.a. im Wald, wo sich dann doch Tarantulas, Giftschlangen, viele Stachelbäume mit fiesen Dornen und kleine Skorpione befinden).
Obwohl der Ort kaum besiedelt ist, habe ich in der Zeit viele Menschen kennengelernt, da immer viele Freunde, sowie Familie oder andere Volunteers vorbei kamen....
Dies soll als kleiner Einblick genügen. Wenn ihr euch jemals in Uruguay befinden solltet, kann ich nur wärmstens empfehlen, dort vorbei zu schauen.
Jetzt ist wieder Kontrastprogramm angesagt. Ich bin in Buenos Aires und werde vom Stadttrubel gerade erschlagen. Ich glaube ich brauch ein bisschen, um den Schlater wieder umzulegen und in den Travelmodus zu gelangen. Ich habe 4 Tage um 1.5000 km nach Santiago de Chile zurück zulegen. Von dort aus geht am 13.02. mein Flug nach Neuseeland und es heißt Adios Südamerika.....
- comments