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Am Dienstagmittag sind wir in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh angekommen. Schon während der Fahrt auf der Fähre über den Mekong bekamen wir die ersten Eindrücke über die Armut zu sehen. Halbnackte Kinder klopften an die Scheibe, schauten durch und bettelten um Essen und Nahrungsmittel. Jule musste fast weinen beim Anblick der kleinen hungernden Geschöpfe. In der Hauptstadt selbst sieht man auch, dass die Bewohner um einiges ärmer sind als in der vietnamesischen Metropole Saigon. Da es sehr dreckig ist, es viel regnete und wir ein wenig müde waren, gingen wir am späten Nachmittagnur für einen kleinen Spaziergang herum. Auffallend ist hier vor allem die öffentlich deutlich sichtbare Prostitution. In den Bars und Cafés sitzen junge und alte westliche Touristen mit gestylten jungen Kambodschanerinnen, im Supermarkt vor uns steht ein junges Ding mit nicht mehr als einem breiten Gürtel und einem engen kleinen Top bekleidet, ihr Ausschnitt grüßt die halbe Welt. Das Personal der vielen Massagesalons (in jeder Straße 2-4 Stück) sieht weniger physiotherapeutisch geschult aus, dafür zeigen alle ihren Bauchnabel und die langen Beine. Der Autor unseres Reiseführers sah dies wohl ähnlich: „Viele Massagesalons sind gleichzeitig Bordelle". Wir wussten bereits vor Ankunft, dass in Kambodscha die Prostitution ein großer Markt ist, aber dass es so heftig ist hätten wir nicht gedacht. Schon direkt nach der vietnamesischen Grenze gab es ein „Casino Hotel" nach dem anderen. In Vietnam sind Casinos und käufliche Liebe strikt verboten, daher nutzen viele den Ausflug ins Nachbarland um das Königsreich finanziell zu unterstützen.
Den zweiten Tag in der Millionenstadt nutzen wir für einen Ausflug in die kambodschanische Geschichte. Wer Kambodscha bereist, sollte sich darauf gefasst machen, dass kein Tag vergehen wird, an dem ihn nichts an die Tragödie dieses Landes erinnert. An die Jahre 1975-79, in denen Pol Pot, ein mörderischer Psychopath, und seine Gefolgschaft, die mörderischen Khmer Rouge, über 1,5 Millionen ihrer Landleute vernichteten. Die Idee: den „Neuen Menschen" erschaffen. Der nie zur Welt kam. Die gesamte Intelligenz wurde binnen weniger Tage ausgerottet, alle Brillenträger (Zeichen für Intelligenz !) sofort ermordet. Bibliotheken und Universitäten niedergebrannt oder zu Folter- und Gefängniskammern umfunktioniert. Der neue Mensch solle ein Bauer sein, der Rekordernten einfährt. Die Hauptstadt Phnom Penh war innerhalb weniger Tage eine Geisterstadt. Dennoch liest man in der Krankenakte des Landes auch westliche Länder. Denn längst hatten westliche und nichtwestliche Kräfte das Land zum Stellvertreterkrieg bestimmt. Die ersten fünfzehn Jahren nach der Unabhängigkeit von Frankreich (1953) dümpelt das Königreich vor sich hin. Ende der sechziger Jahre beschließen der amerikanische Präsident Nixon und sein Sicherheitsberater Kissinger - später Träger des Friedensnobelpreises (!!) - acht Milliarden Dollar in das Land zu investieren. In Form von 540.000 Tonnen Bomben, die nachtschwarze B-52 Bomberim Grenzgebiet zu Vietnam abladen, um die Nachschubbasen des Vietcong wegzublasen. Die blieben, dafür pflasterten Hunderttausende tote Kambodschaner die Friedensmission. Mit Hilfe der Amerikaner kam General Lon Nol an die Macht und es brach ein Bürgerkrieg aus. Die Bauern schlossen sich den roten Khmer an, Lon Nol verliert die Kontrolle über seine Truppen und geht ins Exil (USA). Am 17. April 1975 marschieren die roten Khmer in Phnom Penh ein. Drei Jahre, acht Monate und zwanzig Tage Hölle nehmen ihren Anfang.
Unser Tuktukfahrer fuhr uns ins Genozidmuseum „Toul Sleng", eine ehemalige Schule, die von den Khmer Rouge zum effizientesten Folterzentrum des Landes ausgebaut wurde. Mitten in der Hauptstadt. Heute dient es als Museum, als Aufklärungsstätte über das Leid, das diesem Volk zugefügt wurde. Von den knapp 18.000 (!) Insassen - Männer, Frauen, Kinder - haben 7 überlebt. Eine Reihe von Klassenzimmern wurde 1975 in winzige Einzelzellen unterteilt, zwei Meter lang, einen Meter breit, alle fensterlos, nicht ein Möbel. Die Balkone auf jedem Stockwerk sind mit Stacheldraht vergittert, um jeden Selbstmordversuch der Todeskandidaten zu verhindern. In anderen Räumen sind Gemälde, die verschiedene Folterszenen darstellen: mit Zangen Brustwarzen wegreißen, Würmer in offene Wunden legen, Köpfe durch giftige Laugen schleifen, Gedärme aufschlitzen, ins Koma prügeln, Babys in die Luft werfen und mit dem Bajonett aufspießen. Andere Wände hängen voller Fotos der Opfer. Andere Zimmer sind nahezu leer, man lies sie so verwahrlost, wie sie am Ende des Grauens vorgefunden wurden, ein rostiges Bettgestell, ein Blecheimer für die Notdurft, die eisernen Fußfesseln.Jeweils ein Foto befindet sich an den Wändenjedes Zimmers, gemacht von den vietnamesischen Militärfotographen nach der Befreiung Phnom Penhs. Die teils unscharfen Fotos zeigen die Grausamkeit der damaligen Zeit. Man sieht einen Menschen in bizarr gekrümmter Stellung auf dem Bett liegen, er schwimmt im Blut.
Nach dem Museumsbesuch fuhren wir 15km hinaus aus der Stadt - auf die „Killing Fields". Hier wurde die Bevölkerung gezwungen ihre Massengräber auszuheben, um direkt danach in selbigen ihre letzte Ruhe zu finden. 89 der über 120 Massengräber wurden ausgehoben. Die Leichen aus den Massengräbern (teilweise 450 Menschen) wurden exhumiert. Die Knochen und Köpfe sind in einem riesigen Schrein ausgestellt. Die restlichen Gräber sind nicht ausgehoben. Man läuft um sie herum und sieht auf dem Boden vor sich überall Stofffetzen, die durch den Regen freigedeckt werden. Es handelt sich um die Kleidung der Opfer.
Danach ging es wieder zurück in die Stadt. Gestern sahen wir manchmal Affen über die Dächer und Bäume springen oder an den Strommasten herumklettern, heute bekamen wir noch keine zu Gesicht, dafür aber Sam Bo, einen Elefanten, der einen für kleines Entgeld um den Wat Phnom (Ein Kloster innerhalb eines großen Kreisverkehres) herum trägt.
Morgen geht's dann ins 4 Stunden südlich gelegene Sihanoukville um die kommenden 4 Tage am Strand zu verbringen. Viel haben wir von Phnom Penh nicht gesehen, aber das stört nicht, denn uns gefällt es nicht sonderlich hier. Oft bettelnde Kinder, viel Prostitution, hektische Straßen und grimmig herein guckende Menschen. Ganz sicher scheint es hier auch nicht zu sein, an manchen Bäumen werben Bodyguards um ihre Sicherheit. Was bleibt noch zu erwähnen? Im Supermarkt kann man ekelige Dinge kaufen. Vom Schweinehirn bis Hühnerherzen, alles dabei! Unser Puls gingauch manchmal in die Höhe, erst recht wenn unser Tuktukfahrer meint, den Kreisverkehr in die entgegengesetzte Richtung zu befahren. Oder einfach mal ein großes Stück auf der Gegenfahrbahn herum zu düsen.
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